Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
erwachte in der Nacht. Im Fernsehen lief gerade eine Sendung über Kriminelle
und ihre Machenschaften. Informationen dieser Art waren ihm völlig egal. Er war
ja nicht mehr Commissario, sondern der vollkommen besoffene vom Dienst suspendierte
DDr. Ludovico Ranieri. Er schlurfte zum TV-Gerät, um es abzuschalten, hielt aber
auf halbem Weg inne. Diese Visage kannte er doch! »Verdammte Scheiße«, fluchte er
auf Deutsch. Denn aus der Fernsehröhre glotzte das strubbelhaarige Sackgesicht,
das die Gottobersten in Rom als Sonderermittler nach Venedig geschickt hatten. Und
das Silvanas Arsch zum Rotieren brachte. Dieser Wichser in Armani gab nun tatsächlich
ein Interview, in dem er behauptete, dass alle Hinweise darauf hindeuteten, dass
die Knabenmorde im Auftrag der organisierten Kriminalität geschehen seien. Deshalb
habe man ihn als Sonderermittler eingesetzt. Seine Hypothese sei folgende: Für Auftraggeber
in Westeuropa, Russland und Übersee würden Snuff-Pornos gedreht, bei denen man Knaben
vor laufender Kamera tötete. Wie er darauf komme? Nun, das Geschäft mit Pornografie,
Menschenhandel, Prostitution et cetera sei schon immer ein gewinnbringender Zweig
der organisierten Kriminalität gewesen, antwortete er ausweichend. Dies sei nun
eine neue, ganz besonders abstoßende Facette, die es mit allen Mitteln zu bekämpfen
gelte. In dieser Tonart lief das Interview weiter, Ranieri war fassungslos. Wie
konnte ein einziger Mensch so viel Schwachsinn von sich geben? Das war von A bis
Z Scheiße. Organisierte Kriminalität? Da musste er lachen. Die gab sich nicht mit
solchen Peanuts ab. Der Mafia ging es um Milliarden und nicht um ein paar Hunderttausend
Euro, die eine Handvoll geistig Kranker für den Erwerb von Snuff-Pornos bezahlen
würden. Dieser Jungschnösel aus Rom war eine Vollniete. Erschüttert schaltete Ranieri
den TV-Apparat ab. Er hockte sich neuerlich auf die Couch und nuckelte an dem nun
lauwarmen Bier. Als er es ausgetrunken hatte, rülpste er laut. Dann schlurfte er
hinüber ins Schlafzimmer und ließ sich auf das leere Ehebett fallen. Bevor er in
einen traumlosen Schlaf fiel, murmelte er mehrmals »Mondo di merda. [20] «
Neunzehn
Einige Stunden zuvor war Lupino
bereits schlafen gegangen. Auch er wachte in der Nacht auf, ging aufs WC, schaltete
den Fernseher ein und sah das Interview mit dem römischen Sonderermittler. Er war
ebenfalls skeptisch. So wie er die lokale Mafia kannte, traute er ihr diese Schweinerei
einfach nicht zu. Andere Schweinereien schon, aber nicht diese. Kinder? Das brachte
nicht wirklich Geld. Frauenhandel, Bordelle, Rauschgift, Menschen- und Waffenschmuggel,
Glücksspiel, das Fälschen von Markenartikeln, das Verschwindenlassen von Sondermüll
und das Verfälschen von Lebensmitteln im großen Stil – all das war das Geschäft
der Mafia. Aber Snuff-Pornos? Das kam ihm reichlich unwahrscheinlich vor. Da er
nicht wieder einschlafen konnte, sah er sich nach dem Interview noch die Spätnachrichten
an. Und plötzlich war er wie elektrisiert! Seit einigen Tagen wurde wieder ein zehnjähriger
Knabe vermisst. Doch ein Serienkiller! Lupino schlug mit der Faust auf die Polsterung
der Couch. Ein Triebtäter, der sich immer neue Opfer suchte. Verächtlich verzog
er den Mund, als er an Vizequestore Mastrantonio und seinen verdammten Sonderermittler
dachte. Die beiden waren auf der falschen Fährte. Das spürte er in den Eiern. Dieser
Fall hatte nichts mit organisierter Kriminalität zu tun. Er trank einen großen Schluck
Mineralwasser, schaltete das TV-Gerät ab und ging schlafen.
Eine harte Hand packte ihn an der
Schulter. Er wollte sich losreißen. Da wurde er auch an der anderen Schulter und
am Genick gepackt und fortgeschleift. Aus dem Haus hinunter zum Kanal. Dort wartete
bereits ein Boot. Mit groben Stößen bugsierten ihn die Kerle ins Bootsinnere. Er
bekam eins über den Schädel. Alle Lichter aus.
Er erwachte, an einen Stuhl gefesselt.
In einer Werft, mit allerlei Booten rundum. Draußen plätscherten die Wellen, die
an die Kaimauer schlugen. Sonst war es still. Er versuchte sich zu bewegen. Keine
Chance. So saß er stundenlang. Nickte zwischendurch ein. Plötzlich blendete ihn
ein Scheinwerfer. Eine grobe Stimme fragte ihn, für wen er arbeite. Als er keine
Antwort gab, setzte es mehrere Ohrfeigen. Dann schwenkte der Schweinwerfer auf ein
Bündel Mensch, das nackt in einer Blutlache am Boden lag. Ein Typ, dessen Gesicht
er nicht erkennen konnte, ging zu dem am Boden
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