Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
einzige Mann in der Questura, der ernsthafte Ermittlungen
im Fall meines ermordeten Sohnes angestellt hat, Commissario Ranieri, wurde vom
Dienst suspendiert. Ich schaue da nicht länger tatenlos zu. Deshalb habe ich einen
Privatdetektiv engagiert, der binnen weniger Tage schon Ergebnisse bei seinen Nachforschungen
erzielen konnte …«
Der TV-Reporter
hatte Mühleis’ deutschsprachige Suada ins Italienische übersetzt, und als die Sprache
auf den Privatdetektiv gekommen war, schaute Luciana plötzlich Lupino an. Wortlos
griff sie zur Weinflasche und schenkte nach. Dann musterte sie ihn prüfend und fragte,
ob er der Privatdetektiv sei. Lupino zuckte mit den Schultern und murmelte ein leises
»Si«. Plötzlich fuhr Lucianas Zeigefinger über seinen Handrücken. Und mit einem
breiten Grinsen sagte sie:
»Allora
… il nostro Lupino è un vero detective. [16] «
Sechzehn
Ruhigen Schrittes steuerte Donald
B. Crumb die Bootsanlegestelle an, wo Joe auf ihn wartete. Joe hieß eigentlich Ettore
Nono und war bis vor einem Monat selbstständiger Wassertaxi-Unternehmer gewesen.
Dann hatte er seine drei Boote an Donald B. Crumb verkauft. Nicht, weil er es unbedingt
wollte oder finanziell nötig gehabt hätte, sondern, weil ihm Crumb sehr viel Geld
geboten hatte. Nun war Ettore Nono Crumbs Angestellter und wurde Joe gerufen. Trotzdem
bereute Ettore den Deal nicht. Er hatte nun keine Schulden mehr, seine Frau besaß
einen neuen Pelzmantel und seine Geliebte ein brandneues Alfa Romeo Cabrio samt
sündteurem Garagenplatz an der Piazzale Roma. Donald B. Crumb ließ sich von Joe
nur unwillig ins Boot helfen, denn er hasste es, berührt zu werden. Er mochte es
auch nicht, wenn jemand seinen Ralph Lauren Blazer berührte. Dieser war eine Maßanfertigung,
die der gute alte Ralph ihm persönlich auf den Leib geschneidert hatte. Für einen
fünfstelligen Dollarbetrag. Yes, Sir! In den USA kannte er jeden, der wichtig war.
Und alle, die wichtig waren, kannten Donald B. Crumb. Mit einem Seufzer der Erleichterung
ließ er sich auf die Sitzbank des Bootes fallen, das mit tuckerndem Dieselmotor
ablegte. Versonnen betrachtete er die historischen Gebäude, an denen sie entlang
fuhren. Einmal in Venedig leben! Diesen Jugendtraum erfüllte er sich nun. Ein Glücksgefühl
durchströmte ihn. Er schloss die Augen und genoss den Gifthauch der Kanäle, als
wäre es Chanel N° 5.
Abrupt wachte er aus seinen Gedanken
auf, als Joe das Boot in die dafür vorgesehene Einfahrt des Palastes tuckern ließ.
Das riesige Gebäude aus dem XVII. Jahrhundert hatte Donald B. Crumb vor drei Jahren
erworben. Über 30 Millionen Dollar hatte er in die Renovierung des alten Kastens
investiert. Ja, er war ein Mann, der langfristig vorausdachte und plante. Und der
seine Visionen umsetzte. Wenn er vor drei Jahren irgendjemandem, seiner Frau zum
Beispiel, gesagt hätte, dass sie mit den Kindern in einem venezianischen Palast
wohnen würden, hätte sie ihn wahrscheinlich ›a fuckin’ fool‹ genannt. Meine Frau,
dachte er und seufzte: »Oh my god.«
Maria Shelly O’Connor-Crumb wurde
seit ihrer Highschoolzeit nur MSO gerufen. Sie stammte aus einer alten Bostoner
Familie, die ›absolutely not amused‹ war, als sie sich vor nunmehr 15 Jahren mit
Donald B. Crumb verlobt hatte. Obwohl er schon damals über ein beachtliches Vermögen
verfügt hatte, nahm ihn ihre arrogante Sippe nicht ernst. Zu ihrer Hochzeit kamen
sie mit steinernen Mienen und verließen kurz nach der Trauung die Hochzeitsfeier.
Erst als er, Donald B. Crumb, Senator Tim O’Connor, dem Bruder ihres Vaters, in
einer mehr als peinlichen Situation maßgeblich half, normalisierte sich das Verhältnis
zum O’Connor-Clan. Donald B. Crumb musste grinsen, als er sich an Tim O’Connors
verzweifelte Situation erinnerte: Er hatte eine am Straßenstrich verdeckt ermittelnde
Polizistin in sein Auto einsteigen lassen, um mit ihr einen Quickie auf dem Rücksitz
zu machen. Als der Senator seine Hose geöffnet und herunterzogen hatte, wurde die
Autotür aufgerissen, und zwei Kollegen der Polizistin nahmen ihn fest. In Unterhosen
und Handschellen war der Senator dem Untersuchungsrichter vorgeführt worden. Donald
B. Crumb hatte die fatale Situation auf seine Weise gelöst. Er hatte die Polizistin
zur Obersten Sicherheitsbeauftragten in einem von ihm kontrollierten Konzern gemacht.
Ihre beiden Kollegen schieden ebenfalls aus dem Polizeidienst aus. Einer machte
sich als Autohändler selbstständig, nachdem
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