Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
liegenden Körper, er riss an den
Haaren den Kopf in die Höhe. Lupino erschrak. Es war Philipp Mühleis. Die Augen
geschlossen. Aus dem Mundwinkel sickerte Blut. Die grobe Stimme fragte, ob er für
den da arbeite. Lupino packte das Grauen, doch er sagte nichts. Als Nächstes spürte
er an seinen gefesselten Händen das kalte Metall einer Gartenschere. Schmerzhaft
schnitt die Schere in seinen linken kleinen Finger. Ohne ihn aber abzuschneiden.
Die Stimme verlangte neuerlich eine Antwort auf die Frage, für wen er arbeite. Er
sah Philipp Mühleis in der Blutlache. Sein Puls raste. Er bäumte sich auf. Und schrie
…
Wie wild warf sich Lupino herum
und fiel aus dem Bett. Krachend schlug er auf dem Terrazzoboden auf. Schweißgebadet
fühlte er an seiner linken Hand, ob noch alle Finger unversehrt waren. Langsam wachte
er nun vollständig auf. Er kroch in sein Bett zurück und kämpfte mit den grauenhaften
Eindrücken, die dieser Traum, wie ein Schwerfuhrwerk auf matschigem Grund, in seinem
Gedächtnis zurückgelassen hatte.
Zwanzig
Mit ruhigem Schritt stieg er die
engen Stiegen zum Wassergeschoss hinunter. Der Strahl der Taschenlampe tanzte nervös
über das feucht glänzende Mauerwerk. Schwarz und schnell sah er Ratten aus dem Lichtstrahl
flüchten. Rascheln. Fiepen. Er kam in den Quergang. Es stank nach Kanal, Moder und
Fäulnis. Von der Decke tropfte es herunter. Ein schleimiger Batzen traf seine Stirn.
Er wischte ihn mit dem Handrücken weg. Dabei klirrte der alte rostige Schlüsselbund.
Schrilles Kreischen. Er war auf eine Ratte gestiegen. Fuckin’ beasts! Mit seinem
schweren Fallschirmspringerstiefel gab er einer weiteren einen Tritt. Panisch fiepend
flog sie durch die Luft. Er grinste. Dann stand er vor der alten massiven Holztür.
Hier hatten sie früher Wein, Öl und allerlei anderes Zeug gelagert. Er lagerte hier
anderes. Der alte Schlüssel machte ein schnarrendes Geräusch in dem massiven Schloss.
Die verrosteten Angeln der Tür quietschten beim Öffnen. Der Strahl seiner Taschenlampe
tanzte suchend durch das Gewölbe. Als er einen schmalen, weißen Bubenkörper erfasst
hatte, hielt er inne. Zitternd saß das nackte Kind im hintersten Winkel des Gewölbes.
Er ging darauf zu. Der eiserne Griff seiner Linken packte den Buben unter dem Arm.
Er zog das bisschen Mensch empor. Dann krachte die schwere Taschenlampe auf den
Schädel des Kindes. Einmal. Zweimal. Das reichte. Den bewusstlosen Körper schleifte
er aus dem Gewölbe hinaus in den Gang. Schrill quietschend stob das Rattenpack auseinander.
Unbeeindruckt stapfte er den Gang bis zu dessen Ende. Bis zum Kanal. Hier hatten
früher Boote angelegt. Er schob Kopf und Oberkörper des Knaben über den Steinrand
hin zum Wasser. Seine rechte Hand legte die Taschenlampe vorsichtig auf den Boden
und griff zu dem Fleischmesser, das in seinem Gürtel steckte. Seine Linke packte
die Haare des Knaben und zog den Kopf hoch. Aufblitzen des Messers im Taschenlampenlicht.
Ein energischer Schnitt, und ein Blutschwall schoss in den Kanal. Der Kopf, den
er immer noch an den Haaren in seiner Linken hielt, baumelte am schlaffen Körper.
Er legte das Messer ab, griff zur Taschenlampe, besah den Kehlschnitt und grunzte
zufrieden. Mit einem Tritt beförderte er die Leiche in den Kanal, wo sie mit einem
lauten Platscher in den dunklen Fluten verschwand. Echo von den Wänden rundum. Ratten
fiepten. Er kniete nieder und wusch im Wasser des Kanals die Klinge des Fleischmessers.
Blitzblank steckte er es anschließend in seinen Gürtel zurück. Nun kontrollierte
er mit der Taschenlampe, ob es Blutspuren gäbe. Er fand nichts. Das Blut war ausschließlich
in den Kanal gespritzt. Saubere Arbeit. Er ging zurück ins Gewölbe, schnappte den
Kübel, der dem Knaben als Abort gedient hatte, stapfte vor zum Kanal und entleerte
ihn. Danach besah er sich die alte Matratze, die er dem Knaben als Lager in das
Gewölbe gelegt hatte. Sie war nicht mehr ganz sauber. Er drehte sie um. Die Rückseite
war okay. Er platzierte die Matratze in das rechte hintere Gewölbeeck, stellte den
ausgeleerten Kübel daneben und sperrte das Gewölbe ab. Zufrieden stieg er die rutschigen
Stufen der Treppe empor. Als ihm eine weitere Ratte begegnete, zertrat er sie mit
einer blitzschnellen Bewegung. Am Ende der Treppe zog er sich den mit Rattenblut
verschmierten Stiefel aus. Mit einem Stiefel an einem Fuß und mit einem weißen Socken
am anderen ging er über den knarrenden Bretterboden der Diele. Er schaltete
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