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Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Quadriga: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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wärmte seinen Magen. Er schloss die Augen und genoss dieses
Gefühl. Als er die Augen wieder öffnete, sah er sich gelangweilt im Lokal um. Etwas
weiter vorn auf der Theke erblickte er die Morgenausgabe des ›Il Gazzettino‹. Die
Titelseite der Regionalausgabe war aufgeschlagen. Und was er sah, gefiel ihm gar
nicht: Ein Bild von ihm, wie er mit wutverzerrtem Gesicht auf einen Journalisten
losging, zierte als Aufmacher die Seite. Er wurde blass. Verschämt drehte er die
Zeitung um. Der Besitzer aber brachte ihm unaufgefordert einen weiteren Caffè corretto.
Er zwinkerte ihm zu und sagte grinsend: »Commissario! Bravo! Con
i giornalisti bisogna usare il pugno di ferro! [15] «

Fünfzehn
     
    Fünf Euro und 73 Cent Trinkgeld!
Dabei war er heute in Hochform gewesen und hatte die Gruppe von alten Schachteln
aus Deutschland ständig zum Schmunzeln und manchmal auch zum Lachen gebracht. Er
hatte seinen Charme spielen lassen und hatte auch nicht davor zurückgeschreckt,
mit einigen dieser Schreckschrauben zu flirten. Wenn er jetzt daran dachte, überkam
ihn das unheimliche Verlangen, diesen Vogelscheuchen nachzulaufen und ihnen das
Trinkgeld in die Ausschnitte ihrer billigen T-Shirts zu stopfen. Fünf Euro und 73
Cent! So eine Frechheit! Mit Gönnermiene hatten sie ihm am Ende der Führung ihre
zehn- oder 20-Cent-Stücke in die Hand gedrückt. Und auch die nette Oma, die mit
ihm so fröhlich geschäkert hatte, hatte nicht mehr als 50 Cent locker gemacht. Scheißjob!
Er fragte sich, warum er sich immer wieder überwand und vor den verdammten Touristen
den charmanten Venezianer spielte, der sie voll Stolz durch seine Stadt führte.
Darauf geschissen! Einen Haufen so groß, dass er alle Gletscher der Alpen in den
Schatten stellte. Diese Touristen! Nirgends konnte man mehr in Ruhe spazieren gehen.
Überall drängten sich verschwitzte und blöd gaffende Horden durch die Stadt. Selbst
in die entlegensten Bars und Lokale quoll diese amorphe Touristenmasse. Sie überflutete
alles, was ihm an Venedig lieb war. Lupino hasste sein Leben. Warum war seine Mutter
nicht nach Milano oder Roma gegangen und hatte ihn dort zur Welt gebracht? Okay,
in Rom hatten sie auch viel Tourismus. Aber die Stadt war groß, sehr groß. Dort
verteilten sich die Touristenströme besser. Als Römer hatte man immer noch Gegenden,
in die man sich zurückziehen konnte. Aber in Venedig? In dieser auf Sandbänken,
Sümpfen und Wasser errichteten Kleinstadt konnte man nirgendwohin flüchten. Kein
Entkommen vor den Barbaren. Übellaunig polterte er in Marcellos Osteria. Luciana,
die allein hinter der Bar stand, begrüßte ihn mit einem mehr gemaulten als zugerufenen
»Ciao!«. Er stieß als Antwort einen Grunzer aus und lümmelte sich an die Bar. Wortlos
griff Marcellos Schwester zur Weißweinflasche, schenkte ein Glas ein und schob es
Lupino hin, ohne ihn dabei anzusehen. Ihr Blick hing gebannt an dem kleinen TV-Gerät
im Eck oben, in dem eine Reportage über den ›Venedig-Ripper‹ lief. Lupino machte
einen Schluck. Der Wein brannte wie Säure seine Speiseröhre hinunter, sodass er
unwillig das Gesicht verzog. Was für ein verschissener Tag! Nicht einmal der Ribolla
Gialla schmeckte ihm heute. Vielleicht sollte er überhaupt mit dem Saufen aufhören?
Trübsinnig stierte er auf das Fernsehgerät. Philipp Mühleis kam ihm in den Sinn,
und sein Pflichtbewusstsein meldete sich. Sollte er nicht lieber, statt hier herumzuhängen,
in San Polo und im Dorsoduro unterwegs sein und nach Spuren des ermordeten Mühleis-Knaben
suchen? Scheiß drauf! Davon wird der auch nicht mehr lebendig. Und ob er heute oder
vielleicht morgen oder irgendwann nächste Woche eine Spur fand, war egal. Automatisch
nahm er einen Schluck Wein und siehe da, nun brannte er nicht mehr. Ein angenehmer
Geschmack machte sich am Gaumen breit, und plötzlich sah er alles nicht mehr so
schwarz. Morgen würde er sich wieder voll in die Nachforschungen stürzen. Morgen,
wenn er gut ausgeschlafen und fit war. Er nahm noch einen Schluck und stellte mit
Bedauern fest, dass das Glas nun fast leer war. Morgen würde er es wieder anpacken
… Und als er an Philipp Mühleis dachte, tauchte dessen Gesicht plötzlich auf dem
Bildschirm auf. Zuerst glaubte Lupino eine Vision zu haben, aber dann vernahm er
ganz deutlich Mühleis’ Stimme, die in erregtem Tonfall vor sich hin schimpfte:
    »Ich verstehe
überhaupt nicht, warum die Polizei in Venedig nichts unternimmt. Man vertröstet,
beruhigt, verschleiert. Und der

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