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Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Quadriga: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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Licht
ein und griff zu dem in Reih und Glied vor ihm liegenden Schuhputzzeug. Er breitete
eine Zeitung aus und säuberte beide Stiefel. Als sie blitzblank glänzten, lächelte
er zufrieden. In seinen weißen löchrigen Socken stieg er hinauf in den ersten Stock,
wo er in die Küche ging. Aus dem Küchenkasten nahm er die Grappa-Flasche und goss
sich ein Glas ein. Dann setzte er sich auf den wackeligen Küchenstuhl, nahm mit
Genuss einen kräftigen Schluck von der wunderbar öligen Spirituose und seufzte:
    »This Grappa is not so bad … Thank you, Cecchetti!«

Einundzwanzig
     
    »Du hättest nie, niemals, Johannes
hier herunter mitnehmen dürfen! Eine völlige Schnapsidee, ihn in den Sommerferien
hier herunten zu haben. Das musste ja schiefgehen.«
    Die Augen
von Vera Mühleis schimmerten feucht, die Stimme versagte ihr. Philipp Mühleis war
das peinlich. Es verursachte ihm zu seinem grundsätzlichen Schmerz zusätzliche Qualen.
Mitleid mit seiner Frau, Aggressionen gegen sich selbst. Er nagte an seinem Daumennagel
und sagte kein Wort. Selbstvorwürfe. Verbissen starrte er auf den Zeitungsartikel,
der vor ihm auf dem Frühstückstisch lag. Darin wurde groß über die Theorie des Sonderermittlers
in all ihren Aspekten berichtet. Diesen Artikel durfte seine Frau unter keinen Umständen
in die Hände bekommen. Gott sei Dank hatte sie sowieso keinerlei Interesse am Tagesgeschehen.
Seit dem Begräbnis von Johannes in Wien, von dem sie erst vorgestern Nacht nach
Venedig zurückgekehrt waren, hatte sich Veras Zustand ständig verschlimmert. Okay,
sie hatte an ihrem Schreibtisch einen Nervenzusammenbruch bekommen, als er sie angerufen
und ihr den Tod von Johannes mitgeteilt hatte. Zum Glück war ein Freund der Familie
ein bekannter Neurologe. Der hatte sich um Vera gekümmert und sie mit Medikamenten
ruhiggestellt. In den folgenden Tagen hatte sie ihn dann überrascht. Unglaublich
konsequent und zielorientiert, ganz die erfolgreiche Produktmanagerin eines Markenartikelkonzerns,
hatte sie mit den italienischen und österreichischen Behörden telefoniert und die
Überstellung ihres Sohnes nach Wien sowie dessen Begräbnis organisiert. Nun hatte
sie sich Urlaub genommen und war mit ihm nach Venedig gekommen. Doch die Atmosphäre
der Stadt tat ihr nicht gut. Sie wurde zusehends einsilbiger und machte nur mehr
hin und wieder eine bittere Bemerkung. Sonst wandelte sie mit starren Gesichtszügen
und leichenblassem Gesicht – einem Gespenst gleich – durchs Leben.
    Sie weinte.
Nicht laut. Nicht hysterisch. Über die eingefallenen Wangen strömten Tränen. Sie
sah starr ins Nichts. Hin und wieder wischte sie eine Träne ab. Nein, den Artikel
über die Snuff-Porno-Theorie des Sonderermittlers durfte sie keinesfalls lesen.
Die Vorstellung, dass ihr Sohn vor laufender Kamera missbraucht und zu Tode gequält
worden wäre, hätte ihren miserablen psychischen Zustand weiter verschlechtert. Philipp
Mühleis überlegte, ob er sie nicht schleunigst nach Österreich zurückschicken sollte.
Zu ihren Eltern nach Bregenz. Venedig tat ihr wirklich nicht gut. Aber wie sollte
er es ihr sagen? Würde er zu ihr überhaupt durchdringen? Sie hatte sich total in
sich zurückgezogen. Eingesponnen in einen Kokon aus Teilnahmslosigkeit, Kälte und
Trauer. Er stand auf, ging zur der kleinen, silbernen Espressomaschine, die auf
dem Gasherd stand, und schenkte sich den letzten in der Kanne vorhandenen Schluck
ein. Dann gab er ein Stück Zucker dazu und begann gedankenverloren in seiner Kaffeeschale
umzurühren. Und genau da geschah es! Seine Frau griff wie von einem Dämon getrieben
zu der am Küchentisch liegenden Zeitung. Philipp Mühleis verschluckte sich und spuckte
Kaffee quer durch die Küche. Seine Frau sah ihn strafend an und bemerkte in eisigem
Tonfall:
    »Deine Manieren
lassen sehr zu wünschen übrig.«
    Gott sei
Dank schaute sie nun nicht in die Zeitung. Ihr Blick fixierte ihn strafend. Philipp
nutzte die Gelegenheit, griff nach dem Blatt und zog es von ihr weg. Sie protestierte:
    »Ich lese
jetzt die Zeitung … Gib sie sofort wieder her!«
    Er beachtete
ihren Protest nicht, sondern verschwand mit Zeitung und Kaffeeschale im WC. Er verriegelte
die Tür und ließ sich mit einem Seufzer der Erleichterung auf der Klobrille nieder.
Sie rüttelte an der Klinke.
    »Mach sofort
auf und gib mir die Zeitung!«
    »Ich brauche
eine Klolektüre …«
    »Gib mir
die verdammte Zeitung!«
    Wie besessen
trommelte sie mit den Fäusten an die WC-Tür.
    »Ich

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