Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Quadriga: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Quadriga: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Loibelsberger
Vom Netzwerk:
dann in Olivenöl und mit Knoblauch abzubraten. Danach würde er
sie mit frisch gepresstem Zitronensaft und Olivenöl beträufeln, salzen, pfeffern
und verzehren. Zu Castraure brauchte Lupino kein Fleisch und keinen Fisch. Nur mit
einem Stück Weißbrot und einem guten Schluck Weißwein genoss er dieses zarte Gemüse.
Seine Vorfreude auf das köstliche Mittagessen verging ihm aber, als er einen völlig
verstörten Mühleis vorfand, der ihn drängte, sofort aufzubrechen. Er wollte heute
noch so viele Läden wie möglich im Dorsoduro und in San Polo abklappern und sie
nach seinem Sohn befragen. Lupino seufzte. Aber Geschäft war Geschäft. Noch dazu,
wo Mühleis ihm gerade wieder sechs Hundert-Euro-Scheine zugesteckt hatte. Also wanderten
sie in Richtung Frari-Kirche und gingen in jedes Geschäft, zeigten das Bild von
Johannes Mühleis her und fragten, ob man den Jungen hier gesehen hätte. Einige Verkäuferinnen
reagierten schroff abweisend, andere erkannten Philipp Mühleis und wünschten ihm
ihr Beileid. Doch die Mehrzahl konnte nichts mit dem Bild beziehungsweise mit ihren
Fragen anfangen. Als sie bereits eineinhalb Stunden im Dorsoduro waren, kam es zum
Eklat. Philipp Mühleis läutete beim Geschäft eines Silberschmieds an der Tür. Da
der Inhaber und seine Frau schon recht betagt waren, dauerte es eine Zeit lang,
bis sie die Tür öffneten. Mühleis hatte mittlerweile Sturm geläutet. Die Besitzerin
fragte recht unwirsch, warum er so einen Krach mache. Darauf brüllte er sie so laut
an, dass die Signora auf ihren kurzen, krummen Beinen erschrocken zurück in den
Laden flüchtete. Mühleis hinter ihr her, wild mit dem Foto seines Sohnes gestikulierend.
Der Silberschmied erschrak und drückte den Notfallknopf, der in der Questura die
Alarmglocke schrillen ließ. Ein Polizeiboot nahm Kurs auf den Silberladen. Gerade,
als Lupino die Besitzerin und den Besitzer einigermaßen beschwichtig hatte, stürmten
Polizisten herein und überwältigten Mühleis und ihn. Erregt berichtete die Signora,
dass Mühleis sie körperlich angegriffen hatte. Obwohl Lupino Mühleis verteidigte,
nahmen die Polizisten den durchgeknallten Vater auf die Questura mit. Lupino blieb
dies erspart, da ein Polizist ihn noch als Kollegen erlebt hatte, und die Signora
ihn ja auch nicht beschuldigte. Als er kurz danach völlig fertig in Ginos Küche
auf einen Stuhl sank, murmelte er plötzlich: »Die Castraure!« Er hatte sie im Laden
des Silberschmieds stehen gelassen. Zehn Minuten später stand er neuerlich vor dem
Laden, doch innen in der Tür hing ein ›Chiuso‹-Schild. Aus einem Fenster im ersten
Stock hörte er Teller und Besteck klappern. Und dann roch er ihn: den unvergleichlichen
Duft von in Zitronenwasser marinierten und in Knoblauchöl gebratenen Castraure.

Achtundzwanzig
     
    ›Wozu hat man eigentlich alte Bekannte?‹,
dachte sich Lupino und gab sich einen Ruck. Eilig zerkaute er die letzte eingelegte
Artischocke und spülte mit Ribolla Gialla nach. Da er bereits gezahlt hatte, hielt
ihn nichts mehr in Marcellos Osteria. Voll Elan ging er vor zur Vaporetto-Station
beim Rialto und hatte Glück, gerade legte ein Boot der Linie zwei an, eine endlose
Menschenschlange quoll heraus, und eine nicht minder lange quetschte sich anschließend
hinein. Lupino hasste es. Diese Touristen! Wie angenehm war das Vaporetto-Fahren
in seiner Jugend gewesen. Da hatte er fast immer einen Platz hinten auf dem offenen
Teil bekommen. Dort, wo manchmal ein bisschen Gischt spritzte und man den Dieselmotor
roch. Zu diesen wunderbaren Plätzen kam er in diesem Fall gar nicht durch, so voll
gepackt mit Menschen war das Boot. Mit stampfendem, bebendem Motor wurde Accademia
angesteuert, und dann ging es an Peggy Guggenheims Kunstpalast vorbei hinüber ans
andere Ufer, nach San Marco. Auch dort wieder ein total widerliches Geschiebe und
Gedränge, dann endlich fester Boden unter den Füßen und Raum zum Ausweichen. Lupino
hasste es, mit wildfremden Leuten auf Tuchfühlung gehen zu müssen. Flotten Schrittes
wählte er Seitengassen, um auf den Markusplatz zu gelangen. Hier ging er unter den
Arkaden nach links zum Grancaffè Quadri. Und tatsächlich: Drinnen in den historischen
Räumen saß, so wie jeden Nachmittag um vier Uhr, Avvocato Monelli und las Zeitung.
Mit einem strahlenden »Buona sera, avvocato«, begrüßte er ihn. Monelli sah erstaunt
von seiner Lektüre auf und bot dann Lupino schmunzelnd einen Sitzplatz an seinem
Kaffeehaustischchen an. So wie es seine

Weitere Kostenlose Bücher