Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
Art war, kam er gleich zur Sache:
»Che
cosa vuole, Severino? [25] «
Lupino schätzte
diesen Wesenszug des Anwalts. Früher, als er noch Polizist war, hatte Monelli mit
seiner direkten, ehrlichen Art und mit blitzgescheiten Argumenten des Öfteren etwas
für seine Klienten herausholen können. Genau deshalb war Severino nun hier. Er erzählte
dem Rechtsanwalt in kurzen Worten von Philipp Mühleis’ Verhaftung. Dann informierte
er Monelli, dass er als Detektiv von Mühleis engagiert worden war, um ihn bei der
Suche nach dem Mörder zu unterstützen. Monelli sah kurz auf und fragte:
»Un
assassino? Solo un assassino? [26] «
Lupino nickte.
Dann legte er dem Anwalt seine und Ranieris Sicht des Falles dar. Monelli hörte
konzentriert zu, enthielt sich aber einer persönlichen Meinung. Er fragte vielmehr,
ob Mühleis imstande sei, eine Kaution zu hinterlegen. Lupino bejahte diese Frage
ohne lange nachzudenken. Er ging davon aus, dass Mühleis’ Vater beziehungsweise
die Produktionsfirma dies tun würde. Monelli kraulte sich seinen sorgfältig gestutzten
grauen Vollbart und murmelte, dass sie noch etwas Unterstützung benötigten. Er zückte
sein Handy, wählte eine Nummer und begrüßte die sich meldende Frauenstimme mit »Ciao,
Ornella«. Und als Lupino das Gespräch mitverfolgte, wurde ihm Monellis genialer
Plan klar: Er überredete Ornella Felducci, die Regional-TV-Reporterin, die den Begriff
›Venedig-Ripper‹ geprägt hatte, mit einem TV-Team zur Questura zu kommen. Lupino
grinste. Unter diesen Umständen standen die Chancen gut, Philipp Mühleis frei zu
bekommen.
Und so war es dann auch. Avvocato
Monelli rauschte mit Ornella Felducci, einem Kameramann und Lupino im Schlepptau
in der Questura ein. Mit großer Geste und lauter Stimme erklärte er, er sei hier,
um einen unschuldig Verhafteten zu befreien. Und das alles vor laufender Kamera!
Die Uniformierten am Eingang des Gebäudes telefonierten hektisch, und wenig später
erschien Silvana Viti, die für den Fall Philipp Mühleis zuständig war. Sie bat den
Avvocato und Lupino weiterzukommen, die TV-Leute mussten draußen warten. In ihrem
Büro erklärte ihr Lupino, wie der Zwischenfall in Wahrheit abgelaufen war und dass
von einem Überfall keine Rede sein konnte. Die Polizistin runzelte die Stirn, schlug
ihre unverschämt langen Beine übereinander, dass es Lupino fast die Sprache verschlug,
griff zum Telefon und rief den Vicequestore an. Und während Lupino ihre makellosen
Beine, die nur im allerobersten Teil von einem Minirock verhüllt waren, bewunderte,
erzählte sie ihrem Vorgesetzten in kurzen Worten die Fakten. Dann fügte sie fast
beiläufig hinzu, dass vor der Tür Ornella Felducci mit einem Kameramann wartete.
Als sie aufgelegt hatte, wählte sie neuerlich eine Nummer und befahl, Signor Mühleis
in ihr Zimmer zu bringen. Er wirkte völlig derangiert und verwirrt. Silvana Viti
eröffnete ihm, dass er auf freien Fuß gesetzt werde, dass sie aber seinen Pass hier
behalte und er das Stadtgebiet von Venedig vorläufig nicht verlassen dürfe. Lupino
dolmetschte. Philipp Mühleis fiel ihm um den Hals. Mit dem strahlenden Lächeln eines
siegreichen Feldherrn trat Avvocato Monelli vor Felduccis Kamera. Mit bewegten Worten
schilderte er, wie es ihm gelungen war, einen unschuldig Verhafteten aus den Fängen
der Polizei zu befreien. Zu Lupinos großer Überraschung schwenkte dann die Kamera
auf ihn, und Ornella Felducci fragte ihn, was genau vorgefallen war. In knappen
Worten schilderte Lupino die Fakten und fügte in eigener Sache hinzu, dass er im
Auftrag von Signor Mühleis im Fall des ›Venedig-Rippers‹ private Ermittlungen durchführe.
Felduccis Wangen wurden rot, ihre Augen funkelten und sie fragte, ob er neue Erkenntnisse
habe. Lupino holte tief Luft, nahm all seinen Mut zusammen und sagte dann, dass
er der These des Sonderermittlers keinen Glauben schenke. Die Snuff-Porno-Theorie
sei völlig aus der Luft gegriffen. Der ›Venedig-Ripper‹ hingegen sei – leider –
traurige Realität.
Neunundzwanzig
Marco staunte, als er aus der Schule
herausstürmte und sah, dass Bobby Crumb und der nette Ettore auf ihn warteten. Bobby
lief auf ihn zu und rief »Gimme five!«. Die beiden Buben klatschten ab, und Ettore
erzählte Marco, warum sie hier waren. Bobby hatte heute Geburtstag, und deshalb
hat sein Vater in Mestre einen Fußballplatz gemietet. Dort würde schon die Vereinsjugend
warten, um mit Bobby zu kicken. Das Geburtstagskind hatte jedoch
Weitere Kostenlose Bücher