Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
darauf bestanden,
dass Marco unbedingt mitkommen müsse. Und so waren sie zu der Pizzeria gefahren
und hatten sich nach Marcos Schule erkundigt. Dem netten Signor Veneto hatten sie
gesagt, dass er, Marco, heute wahrscheinlich nicht kommen würde. Der war zwar ein
bisschen enttäuscht gewesen, hatte aber dann den Buben viel Spaß beim Kicken gewünscht.
Als Marco
wenig später neben Bobby in dem von Ettore gesteuerten Motorboot durch die Lagune
pflügte, sodass die Gischt spritzte, konnte er sein Glück kaum fassen. Das hatte
er sich immer schon gewünscht: Mit einem starken Motorboot über das Wasser zu zischen.
Sie legten in Mestre an, von wo die beiden Buben in einer Lancia Limousine zum Fußballplatz
chauffiert wurden. Dort angekommen wurden Bobby und Marco wie Stars begrüßt. Ganz
besonders herzlich wurde Marco von Bobbys Vater willkommen geheißen. Der Dicke umarmte
Marco, so wie er es sonst nur bei seinen eigenen Söhnen tat. Es spielte eine Musikkapelle,
und die beiden Buben bekamen funkelnagelneue Outfits sowie neue Fußballschuhe. Ein
Sportartikelhändler aus Mestre war mit Fußballausrüstung in verschiedenen Größen
hier, sodass Marco und Bobby passende Schuhe, Trikots und Hosen bekamen. Danach
wurden die beiden der Vereinsjugend vorgestellt. Da Bobby darauf bestand, dass Marco
in seiner Mannschaft spielte, hatte die gegnerische Mannschaft wenig zu lachen.
Nach zweimal 45 Minuten siegte Bobbys Mannschaft mit sieben zu drei. In den Clubräumen
des Vereins ließ Donald B. Crumb eine riesige Geburtstagstorte mit Sprühkerzen auffahren.
Es gab jede Menge Coca Cola, Hot Dogs, Burgers und Popcorn. Selbstverständlich war
die gesamte Vereinsjugend eingeladen mitzufeiern. Als Marco gegen sechs Uhr abends
von Ettore zur Pizzeria gebrachte wurde – er wollte unbedingt noch bei Signor Veneto
vorbeischauen –, war seine Enttäuschung groß. Dieser war nämlich gerade kurz weggegangen.
Aber wenigstens war sein starker Freund, Signor Smith, da. Mit stoischer Gelassenheit
saß er dort, wo Signor Veneto normalerweise saß, kaute an einem Stück Pizza Cardinale,
trank fallweise einen Schluck Cola aus dem großen Glas mit den vielen Eiswürfeln
und bediente die Laufkundschaft mit so einer Selbstverständlichkeit, als hätte er
sein gesamtes Leben lang nichts anderes getan. Zu Marcos Überraschung fing Signor
Smith mit ihm zu plaudern an. Wie viel Geld er hier verdiene? Ob er das Geld benötige?
Und ob er vielleicht mehr Geld verdienen wolle?
Marco horchte
auf. Noch mehr Geld? Für ihn waren die fünf Euro, die er meistens an einem Nachmittag
hier verdiente, schon verdammt viel.
Signor Smith’
Gesicht wurde von einem dünnen Lächeln zerteilt. Fünf Euro? Nun das war nicht viel.
Er würde Marco für jeden Tag, an dem er für ihn arbeitete, 50 Euro geben. Die Arbeit
würde auch nicht lange, sondern immer nur zwei bis drei Stunden dauern. Insgesamt
bräuchte er ihn für drei, vielleicht vier Tage. Marco konnte es nicht glauben. 50
Euro für zwei bis drei Stunden! Und das mal drei oder vielleicht mal vier. Heute
war sein Glückstag. Und als Signor Smith ihm seine sehnige, unglaublich kräftige
Hand zum Einschlagen entgegenstreckte, zögerte Marco keine Sekunde lang. Überrascht
war er, wie ungeheuer kräftig der Händedruck von Signor Smith war. Es fühlte sich
an, als ob eine Stahlzwinge seine Hand quetschte.
Dreißig
Was für ein Tag! Lupino fühlte sich
wie durch den Fleischwolf gedreht. Zuerst der durchgeknallte Mühl-eis, dann die
mühsame und ermüdende Suche nach möglichen Spuren in unzähligen Geschäften mit dem
anschließenden Eklat im Geschäft des Silberschmieds. Schließlich die vergessenen
Castraure, der geniale Avvocato Monelli, die Wahnsinnsbeine der Polizistin und zuletzt
das Fernsehinterview. Er kannte Ornella Felducci ja schon seit vielen Jahren. Aber
heute war es das erste Mal gewesen, dass sie von ihm Notiz genommen hatte. Ein kleiner,
persönlicher Triumph. Und so saß er zufrieden in Marcellos Osteria und verzehrte
zur Feier des Tages einen Rombo alla griglia. Mit den 600 Euro, die er heute von
Mühleis bekommen hatte, konnte er sich den Edelfisch guten Gewissens leisten. Vorsichtig
und mit viel Liebe filetierte er den Steinbutt und schob immer wieder eine Gabel
von dem zarten, köstlichen Fleisch in den Mund. Dazwischen genoss er schluckweise
den herrlich trockenen Ribolla Gialla. Schmunzelnd erinnerte er sich dabei an Ginos
Credo beim Zubereiten von Fischen: Der Fisch ist schon tot. Man
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