Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
und Moder. Bitter bereute Marco seinen vermessenen Plan. Wie konnte
er nur so dumm sein und annehmen, dass er Signor Smith erpressen könnte? Voll Scham
über seine eigene Dummheit begann er leise zu weinen. Vor lauter Geldgier hatte
er völlig den Verstand verloren. 10.000 Euro – das war sicher auch für Signor Smith
viel Geld. Geld, das ein Mann wie er nicht ohne Widerstand jemand anderem aushändigen
würde. Und schon gar nicht einem zehnjährigen Rotzlöffel, der ihn erpressen wollte.
Marco erinnerte sich, wie er mit einem gewissen Bauchgrimmen, aber auch mit dem
festen Vorsatz, bei Signor Smith abzukassieren, ihm mit einem Stück Pizza einen
Zettel zugeschoben hatte, auf dem stand, dass er alles wüsste und zur Polizei gehen
würde, wenn er nicht 10.000 Euro bekommen würde. Signor Smith hatte den Zettel lange
angesehen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, dann sah er Marco in die Augen.
Doch sein Habichtblick erschreckte Marco nicht mehr. Fast unmerklich hatte der Rahmenmacher
dann genickt. Mit dem Blick immer noch Marco fixierend zog er seine Brieftasche
aus der hinteren Tasche seiner Jeans, entnahm ihr 300 Euro und schob Marco die Scheine
über den Tisch. Eine Anzahlung, hatte Signor Smith gemurmelt. Den Rest bekäme er,
sobald er hier in der Pizzeria fertig sei. Er müsse nur dreimal kurz und dreimal
lang an die Tür des Rahmenmachergeschäfts klopfen. Marco hatte genickt. Nachdem
er bei Bruno Veneto seinen Job erledigt hatte, war er schnurstracks zum benachbarten
Geschäft gegangen und hatte das vereinbarte Zeichen an die Tür geklopft. Sofort
war Signor Smith erschienen und hatte ihn hereingelassen. Dann waren sie nach rückwärts
in die Werkstatt gegangen. Kaum hatte sich die Tür zum Verkaufsraum hinter Marco
geschlossen, versetzte ihm Signor Smith einen wuchtigen Schlag gegen den Kopf, sodass
er mit dem Schädel an die Wand schlug. Marco war zusammengesackt. Als Nächstes hatte
er wahrgenommen, dass Signor Smith ihm eine Flüssigkeit einflößte. Dann war es dunkel
geworden.
Marco stand
auf und tastete sich vorsichtig die Wand entlang. Sie war feucht und ekelhaft glitschig.
Ihm kam es vor, dass der Boden leicht abschüssig war. Und dann patschte er in eine
Lache. Er versuchte auszuweichen, doch da war überall Wasser. Marco wich zurück.
Er tapste im Dunkeln zu der Ecke mit der alten Matratze zurück. Dabei bemerkte er,
dass überall Wasser herabtropfte. Auch an den Seitenwänden sickerte Wasser herein.
Und plötzlich überkam ihn eine neue Angst. Die Angst, hier zu ertrinken.
Achtundvierzig
Ranieri gab sich einen Ruck. Es
war Zeit, den Vicequestore zu informieren. Sie hatten zwar keinen einzigen Beweis,
aber eine Fülle von Indizien. Dieser Rahmenmacherladen musste durchsucht werden.
Dort stimmte irgendwas nicht. Da hatte Lupino absolut recht. Allerdings durfte er
vor dem Dottore den Namen Severino nicht erwähnen. Lupino war für Mastrantonio ein
rotes Tuch. Ein korrupter Expolizist, eine gescheiterte Existenz. Als er die Stiegen
hinauf zum Büro des Chefs stieg, überlegte er sich, wie er die gesammelten Erkenntnisse
seinem Vorgesetzten mitteilen sollte, sodass dieser einer Hausdurchsuchung zustimmte.
Außerdem würde er sowieso die Kontakte des Vicequestore brauchen, um jetzt am späten
Nachmittag noch einen richterlichen Hausdurchsuchungsbefehl zu bekommen. Höflich
klopfte er an die Tür der Vorzimmerdame und öffnete sie vorsichtig. Er trat ein
und sah in das regungslose Krötengesicht von Signora Orsetto. Die kalten Augen hinter
ihren bunten Brillen musterten ihn. Ranieri kam sich in seine Schulzeit zurückversetzt
vor. Da hatten sie eine Direktorin, die genauso einen kalten Blick hatte. Und die
ihn des Öfteren zur Sau gemacht hatte. Einfach so, weil er klein war, und weil sie
ihn einfach nicht leiden konnte. Tagelang hatte er nach solchen Zusammenstößen Albträume
gehabt. Ohne dass er sich dagegen wehren konnte, begann der Commissario zu stottern,
als er Signora Orsetto fragte, ob der Dottore da sei. Ohne auf seine Frage einzugehen,
fragte sie zurück, worum es denn gehe. Er räusperte sich und erklärte ihr, dass
es im Falle des ›Venedig-Rippers‹ neue Indizien und Erkenntnisse gäbe. Deshalb müsse
er dringend mit dem Dottore sprechen. Er brauche einen Hausdurchsuchungsbefehl.
Signora Orsetto lächelte mild und klärte ihn auf, dass Dottore Mastrantonio vor
einer Stunde wegen einer wichtigen Besprechung das Haus verlassen habe. So leid
es ihr tue, aber heute würde es mit
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