Qual (German Edition)
waren. Er nahm die Eimer wieder auf, ging zum Trog und schüttete den Fraß aus. Bisher hatten die Hunde sich immer sofort an den Trog gedrängt und darüber hergemacht, geknurrt und um die besten Plätze gekämpft, bevor er auch nur Wasser hinzufügen konnte. Er konnte nichts dagegen tun; er war machtlos. Als jetzt einer der kleineren Collies mit glänzenden dummen Augen und seitlich aus seinem dummen Maul heraushängender dummer Zunge zum Trog raste, machte Blaze mit seinen behandschuhten Händen eine ruckartige Bewegung, und sofort wich der Hund so schnell seitlich aus, dass die Füße unter ihm nachgaben und er auf der Seite landete. Die anderen wichen zurück.
Blaze fügte dem Futter zwei Eimer Wasser aus dem Trinkwasserhahn hinzu. »So«, sagte er. »Jetzt ist es feucht. Na los, fresst!«
Er kehrte zu Randy zurück, um einen Blick auf ihn zu werfen, während die anderen Hunde zum Futtertrog rasten.
Die Flöhe verließen bereits Randys auskühlenden Körper, um ihn auf dem mit Pisseflecken übersäten Schnee sterben zu
lassen. Das gute Auge sah jetzt fast genauso glasig aus wie das schlechte. Das weckte ein Gefühl von Mitleid und Traurigkeit in Blaze. Vielleicht hatte der Hund ja doch nur gespielt. Hatte nur versucht, ihm Angst einzujagen.
Und er hatte Angst. Auch das. Dafür würde er einen Heidenärger bekommen.
Er ging mit den leeren Eimern und gesenktem Kopf zum Haus. Mrs. Bowie war in der Küche. Sie hatte ein Waschbrett in die Spüle gestellt und wusch darauf gerade Vorhänge. Mit ihrer durchdringenden Stimme trällerte sie dabei ein Kirchenlied.
»Aaach, komm jetzt nicht hier rein und latsch auf meinen sauberen Boden!«, schrie sie, als sie ihn sah. Es war zwar ihr Boden, aber er schrubbte ihn. Auf Knien. Missmut regte sich in seiner Brust.
»Randy ist tot. Er hat mich angesprungen. Ich hab ihn geschlagen. Hab ihn totgemacht.«
Ihre Hände flogen aus dem seifigen Wasser, und sie schrie. »Randy? Randy! Randy! «
Sie rannte im Kreis herum, schnappte sich ihren Pullover von dem Haken neben dem Holzherd und lief dann zur Tür.
»Hubert!« Sie rief ihren Mann. »Hubert, ach, Hubert! Was für ein bösartiger Junge!« Und dann, als würde sie immer noch singen: »Ooooooo OOOOOO …«
Sie stieß Blaze zur Seite und rannte hinaus. Mr. Bowie tauchte in einer der vielen Schuppentüren auf, ein verblüffter Ausdruck auf seinem hageren Gesicht. Er kam mit großen Schritten auf Blaze zu und packte ihn an einer Schulter. »Was ist passiert?«
»Randy ist tot«, antwortete Blaze tonlos. »Er hat mich angesprungen, und ich hab ihn fertiggemacht.«
»Du wartest hier«, sagte Hubert Bowie und folgte seiner Frau.
Blaze zog seine rot-schwarze Jacke aus und setzte sich auf den Schemel in der Ecke. Schnee schmolz an seinen Stiefeln und bildete eine Pfütze. Es war ihm gleichgültig. Die Hitze des Holzherdes ließ sein Gesicht pochen. Er hackte das Holz. Es war ihm gleichgültig.
Bowie musste seine Frau zurück ins Haus führen, denn sie hatte die Schürze über ihr Gesicht gezogen. Sie schluchzte laut. Ihre schrille Stimme ließ sie wie eine Nähmaschine klingen.
»Geh raus in den Schuppen«, sagte Bowie zu ihm.
Blaze öffnete die Tür. Bowie half ihm mit der Spitze seines Stiefels nach. Blaze stürzte die zwei Stufen auf den Hof hinunter, stand auf und ging in den Schuppen. Dort drinnen gab es Werkzeuge – Äxte, Hämmer, eine Drehbank, einen Schleifstein, einen Hobel und noch andere Dinge, deren Namen er nicht kannte. Es gab Autoteile und Schachteln mit alten Illustrierten. Und eine Schneeschaufel mit einem breiten Aluminiumblatt. Seine Schaufel. Blaze sah sie an, und irgendetwas an der Schaufel vertiefte seinen Hass gegenüber den Bowies, rundete ihn ab. Sie erhielten hundertsechzig Dollar pro Monat dafür, dass sie ihn bei sich aufnahmen, und er erledigte ihre Hausarbeiten. Er bekam kein gutes Essen. Im HH war es besser gewesen. Das war alles nicht fair.
Hubert Bowie öffnete die Verbindungstür zum Schuppen und trat ein. »Ich werde dich jetzt auspeitschen«, sagte er.
»Der Hund hat mich angesprungen. Er hatte es auf meine Kehle abgesehen.«
»Halt den Mund. Du machst alles nur noch schlimmer für dich.«
Jedes Frühjahr ließ Bowie eine seiner Kühe von Franklin Marstellars Bullen Freddy besteigen. An der Wand des Schuppens hing ein Halfter, das er »Liebeshalfter« nannte, und ein Nasenriemen. Bowie nahm es vom Haken und hielt es am Riemen, die Finger fest darum geschlungen. Die schweren
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