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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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hier abwarten, bis es vorbei ist! Hier sind wir sicherer!«
    Ich starrte sie fassungslos an. »Weißt du nicht, was geschieht? Man hat die Lithophilen getötet!«
    »Nein! Sie wurden umprogrammiert – so daß sie jetzt Luft absorbieren. Sie zu töten, würde zu lange dauern – zuviel Vorwarnzeit!«
    Es war surreal. Ich konnte meinen Blick kaum auf sie konzentrieren, so heftig vibrierte der Boden. »Wir dürfen nicht hierbleiben! Verstehst du nicht? Wir werden ertrinken!«
    Wieder schüttelte sie den Kopf. Einen Moment lang hörten die sich widersprechenden Verschwommenheiten auf, und ich sah, daß sie mich anlächelte – wie ein Kind, das sich vor einem Gewitter fürchtete. »Keine Sorge! Wir werden es überstehen!«
    Was glaubte sie, was geschehen würde, wenn das Meer über uns hereinbrach? Sollten wir… uns gegenseitig über Wasser halten? Eine Million ertrinkender Flüchtlinge würden sich an den Händen halten und gemeinsam Wasser treten?
    Stateless hatte seine Kinder in den Wahnsinn getrieben.
    Wir wurden in einen feinen Sprühregen gehüllt. Ich kauerte mich zusammen und zog den Kopf ein, während ich mir bildlich vorstellte, wie Wasser aus der Tiefe in den Fels drang und auf dem Weg bis zur Oberfläche die Risse sprengte. Und als ich aufblickte, sah ich es auch. In der Ferne schoß ein Geysir kerzengerade in den Himmel, eine furchteinflößende Silbersäule im Mondlicht. Sie war mehrere hundert Meter entfernt – in südlicher Richtung –, was bedeutete, daß der Weg zum Guyot bereits unterspült war und es keinen Fluchtweg mehr gab.
    Ich ließ mich neben dem Mädchen zu Boden fallen. »Warum sind Sie in die falsche Richtung gelaufen?« brüllte sie mich an. »Haben Sie sich verirrt?«
    Ich drehte mich zu ihr um und hielt sie an der Schulter fest, um ihr Gesicht klarer erkennen zu können. Wir starrten uns eine Weile in gegenseitigem Unverständnis an. »Ich war als Wache eingeteilt«, schrie sie. »Ich hätte Sie schon am Rand des Lagers aufhalten müssen, aber dachte, Sie würden nicht sehr weit hinausgehen. Ich dachte, Sie wollten nur einen besseren Blickwinkel für ihre Kamera suchen.«
    Die Schulterkamera steckte sicher in meiner Tasche. Ich hatte nicht einmal daran gedacht, sie zu benutzen, sie auf das Lager zu richten, wenn es überflutet wurde, um die Welt über diesen Genozid zu informieren.
    Der sanfte Regen wurde ein paar Sekunden lang etwas heftiger, doch dann ließ er wieder nach. Ich blickte nach Süden und sah, wie der Geysir in sich zusammenfiel.
    Dann bemerkte ich zum ersten Mal, daß nur noch meine Hände zitterten.
    Der Boden hatte sich beruhigt.
    Und was bedeutete das? Das Felsstück, auf dem wir lagen, war abgebrochen, hatte sich wie ein Eisberg schreiend von einem kalbenden Gletscher gelöst und trieb nun verhältnismäßig ruhig dahin – bis der Brocken vom Meer verschlungen wurde?
    In meinen Ohren summte es, mein ganzer Körper zitterte – doch als ich zum Himmel aufblickte, standen die Sterne felsenfest. Oder umgekehrt.
    Dann strahlte mich das Mädchen mit einem erleichterten, adrenalinseligen Grinsen an, während ihr Tränen in die Augen traten. Sie glaubte offenbar, daß die Katastrophe vorbei war. Und mich hatte man gewarnt, nicht zu glauben, ich wüßte es besser. Ich starrte irritiert zurück, während mein Herz immer noch panisch raste und mein Brustkorb von Hoffnung und Ungläubigkeit eingeschnürt wurde. Ich stellte fest, daß ich keuchende Schluchzer ausstieß.
    Als ich meine Stimme wiedergefunden hatte, fragte ich: »Warum sind wir nicht tot? Der Fels kann doch nicht ohne die Lithophilen schwimmen. Warum gehen wir nicht unter?«
    Sie setzte sich im Schneidersitz hin und massierte ihre aufgeschrammte Wade, während sie einen Moment lang abgelenkt war. Dann blickte sie mich an und versuchte mein Unverständnis einzuschätzen, bis sie den Kopf schüttelte und es mir erklärte.
    »Die Lithophilen in den Felsausläufern wurden überhaupt nicht beeinträchtigt. Die Miliz hat Taucher an den Rand des Guyots geschickt und Enzyme hineingepumpt, so daß die Luft aus dem Riff-Fels direkt über dem Basalt abgelassen wurde. Dann floß Wasser hinein – und der Oberflächenfels ist im Zentrum schwerer als Wasser.«
    Sie lächelte fröhlich. »Ich sehe es so: Wir haben zwar eine Stadt verloren, aber dafür haben wir jetzt eine Lagune gewonnen.«

 
     
     

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Vierter Teil

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29

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    Im Lager herrschte ein jubelndes Durcheinander. Tausende von Menschen

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