Qual
tummelten sich im Mondlicht, untersuchten sich gegenseitig auf Verletzungen, bauten zusammengebrochene Zelte wieder auf, feierten den Sieg, betrauerten die Stadt – oder erinnerten jeden, der es hören wollte, nüchtern daran, daß der Krieg vielleicht noch nicht vorbei war. Niemand konnte wissen, welche Streitkräfte und welche Waffen sich außerhalb des Zentrums befunden hatten und der Versenkung entgangen waren – oder was möglicherweise noch aus der Lagune hervorkriechen mochte.
Ich fand Akili unverletzt wieder, während hie bei der Reparatur des großen Zeltes half, das die Wasserpumpen unter sich begraben hatte. Wir umarmten uns. Ich hatte überall Schürfwunden, mein Gesicht war blutverschmiert, und durch meine zum dritten Mal geöffnete Bauchwunde zuckten schmerzhafte Blitze wie von elektrischen Entladungen. Doch ich hatte mich nie zuvor lebendiger gefühlt.
Akili löste sich behutsam von mir. »Um sechs Uhr wird Mosalas UT im Net veröffentlicht. Willst du mit mir aufbleiben und warten?« Hie blickte mir in die Augen, ohne etwas zu verbergen. Hie hatte Angst vor der Seuche und wollte in diesem Moment nicht allein sein.
Ich drückte heinen Arm. »Natürlich.«
Ich ging zu den Latrinen, um beim Aufräumen zu helfen. Zum Glück waren die Abwasserschächte offen geblieben, und das, was zuvor hineingeleitet worden war, war durch den Druck der Bebenwellen nicht wieder herausbefördert worden. Ich wusch mir das Blut vom Gesicht und befreite dann vorsichtig meinen Bauch aus den Bandagen.
Die Wunde blutete immer noch ein wenig. Der Schnitt durch den Laserstrahl des Insekts ging tiefer, als ich bisher gedacht hatte. Als ich mich über das Waschbecken beugte, spürte ich, wie die zwei Seiten des sieben oder acht Zentimeter langen Spalts im Gewebe aneinanderrieben. Die Hitze hatte die Wundränder kauterisiert, doch jetzt war die tote Narbe aufgeplatzt.
Ich blickte mich um und sah, daß niemand in der Nähe war. Ich dachte: Das ist keine gute Idee. Aber gegen die Gefahr einer inneren Infektion war ich bereits mit Antibiotika vollgepumpt worden.
Ich schloß die Augen und zwang mich, drei Finger tief in die Wunde zu schieben. Ich berührte die Windungen des Dünndarms, nicht schlangenkalt, sondern blutwarm, fest, muskulös und nicht schlüpfrig. Das war der Teil meines Körpers, der mich beinahe getötet hatte – der unter die Herrschaft fremder Enzyme geraten war und mich gnadenlos trockenzuwringen versucht hatte. Aber der Körper ist kein Verräter. Er gehorcht nur den Gesetzen, denen er gehorchen muß, wenn er seine Existenz aufrechterhalten will.
Die Schmerzen kamen mit einer gewissen Verzögerung und ließen mich erstarren. Ich stellte mir vor, wie ich den Rest meines Lebens als Bonaparte oder ungläubiger Thomas verbrachte – doch dann zerrte ich meine Hand heraus und stützte mich am Plastikfaß des Waschbeckens ab, wobei ich das Gefäß eindellte.
Ich wollte in einen Spiegel starren und verkünden: Ja, ich weiß jetzt, wer ich bin. Und ich erkenne bedingungslos an, daß mein Leben eine von Blut angetriebene Maschine ist, daß es aus Zellen und Molekülen zusammengesetzt ist und daß es der UT unterworfen ist.
Doch hier gab es keine Spiegel. Nicht in den Latrinen eines Flüchtlingslagers, nicht einmal auf Stateless.
Und wenn ich noch ein paar Stunden wartete, würden diese Worte noch größeres Gewicht erlangen – denn zur Morgendämmerung würde ich endlich die ganze Wahrheit über die UT erfahren, die es mir ermöglichte, sie auszusprechen.
Als ich zu Akili zurückkehrte, nahm ich mein Notepad und durchsuchte die internationalen Nets. Überall wurde atemlos über den Schlag der Anarchisten gegen die Söldner gesprochen.
Doch die Berichterstattung von SeeNet war am besten.
Sie begann mit einem Blick auf die Lagune, die riesig und unheimlich still im Mondlicht lag, beinahe ein perfekter Kreis – wie ein uralter überfluteter Vulkankrater, eine Reminiszenz an den darunter verborgenen Guyot. Ich empfand trotz allem einen Stich der Trauer über den Tod der Söldner, deren Gesichter ich niemals gesehen hatte, die auf die trügerische Sicherheit des soliden Felsens hereingefallen waren und die nur für Geld und die Interessen der Anteilseigner von EnGeneUity gestorben waren.
Die Journalistin – die nicht zu sehen war, ein Profi mit optischen Nervenkontakten – kommentierte die Bilder. »Es könnte Jahrzehnte dauern, bis detailliert geklärt werden kann, wer die Invasion von Stateless
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