Qual
mir selbst ein Urteil bilden, wie intolerant und herablassend ich mich ihnen gegenüber verhalten sollte.«
Sie lächelte, machte jedoch den Eindruck, als hätte ich sie gebeten, jemanden zu verraten. »Die AKs sind äußerst empfindlich, wenn es darum geht… wie sie nach außen hin dargestellt werden. Es war schon schwierig genug, sie überhaupt zu einem Gespräch mit mir zu überreden, und sie haben mir immer noch nicht erlaubt, irgend etwas über sie zu veröffentlichen.«
Die AKs! Ich heuchelte Gleichgültigkeit und versuchte, meinen inneren Jubel zu unterdrücken. »Wie meinen Sie das – sie erlauben es nicht?«
»Ich habe mich vorher mit verschiedenen Bedingungen einverstanden erklärt«, sagte Lee, »und ich bin verpflichtet, mein Wort zu halten, wenn unsere Kooperation fortgesetzt werden soll. Sie haben versprochen, daß die Zeit kommen wird, zu der ich alles ins Net einspeisen kann – doch bis dahin läuft meine Bewährungsfrist. Wenn ich irgendwelche Informationen an einen Journalisten weitergebe, wären unsere Beziehungen im nächsten Augenblick abgebrochen.«
»Ich will gar nichts über diese Leute veröffentlichen. Meine Frage ist völlig inoffiziell, das schwöre ich. Ich bin nur neugierig.«
»Dann wird es Ihnen sicher nicht schaden, wenn sie noch ein paar Jahre warten müssen.«
Ein paar Jahre? »Also gut, es steckt mehr als nur Neugier dahinter.«
»Und was?«
Ich dachte darüber nach. Sollte ich ihr von Kuwale erzählen – und sie um das Versprechen bitten, nichts weiterzusagen, um Mosala nicht in unwillkommene Spekulationen hineinzuziehen. Nur… wie konnte ich von ihr verlangen, jemanden zu verraten, während ich sie bat, das Vertrauen eines anderen zu respektieren? Es wäre reine Heuchelei – und wenn sie tatsächlich bereit war, Geheimnisse mit mir auszutauschen, wieviel war dann ihr Versprechen wert?
»Was haben diese Leute überhaupt gegen Journalisten?« fragte ich. »Die meisten Kulte sind doch versessen darauf, neue Mitglieder zu gewinnen. Was für eine Gesinnung…?«
Lee warf mir einen mißtrauischen Blick zu. »Ich werde mich zu keinen weiteren Indiskretionen hinreißen lassen. Es war einzig und allein mein Fehler, daß mir der Name herausgerutscht ist, aber jetzt ist das Thema beendet. Ich sage nichts mehr über die Anthrokosmologisten.«
Ich lachte. »Ach, kommen Sie! Das ist doch absurd! Sie gehören dazu, nicht wahr? Keine geheimen Handzeichen, aber Ihr Notepad sendet pausenlos auf codierter Infrarotfrequenz: Ich bin Indrani Lee, Hohepriesterin des Ehrwürdigen und Geheimen Ordens der …«
Sie holte zu einem Schlag aus, doch ich konnte ihrem Handrücken gerade noch rechtzeitig ausweichen. »Sie ernennen auf gar keinen Fall Priesterinnen!« sagte sie.
»Sie meinen, die Leute sind Sexisten? Nur Männer in höheren Positionen?«
Sie zog eine finstere Miene. »Auch keine Priester. Und ich werde nichts mehr dazu sagen.«
Wir gingen schweigend weiter. Ich holte mein Notepad hervor und bedachte Sisyphus mit mehreren bedeutungsvollen Blicken. Doch der komplette Begriff führte zu keinem Sesam-öffne-dich-Effekt; die Suche nach ›Anthrokosmologisten‹ erbrachte nicht einen einzigen Treffer.
»Ich muß mich entschuldigen«, sagte ich. »Keine weiteren Fragen, keine Provokationen mehr. Was wäre, wenn ich dringend Kontakt mit diesen Leuten aufnehmen müßte, Ihnen aber nicht sagen kann, warum?«
Lee blieb ungerührt. »Das klingt unwahrscheinlich.«
Ich zögerte. »Ein gewisser Kuwale hat versucht, Kontakt mit mir aufzunehmen. Hie hat mir mehrere Tage lang kryptische Botschaften geschickt. Aber gestern abend ist hie nicht zu unserem vereinbarten Treffen erschienen, also möchte ich gerne herausfinden, was geschehen ist.« Fast nichts davon entsprach der Wahrheit, aber ich wollte einfach nicht zugeben, daß ich eine ausgezeichnete Gelegenheit verpatzt hatte, selbst herauszufinden, was es mit AK auf sich hatte. Auf jeden Fall ging Lee nicht darauf ein. Falls sie den Namen schon einmal gehört hatte, ließ sie sich nichts anmerken.
»Könnten Sie vielleicht die Nachricht weiterleiten, daß ich gerne mit ihnen sprechen möchte?« fragte ich. »Dann können diese Leute selbst entscheiden, ob sie Kontakt aufnehmen wollen oder nicht.«
Lee blieb stehen. Eine Kultistin auf Stelzen warf ihr eine Handvoll eßbarer Pamphlete ins Gesicht – das MR-eigene Mitteilungsblatt zur Einsteinkonferenz in der nicht-elektronischen Ausgabe. Lee wehrte die Frau gereizt ab. »Sie verlangen
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