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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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oder schlüssig genug, um ein gesamtes Universum entstehen zu lassen – und einen menschlichen Geist zu erklären, der in der Lage ist, eine solche Erklärung zu realisieren.«
    Ich starrte Conroy an. Ich Wollte sie nicht beleidigen, aber ich wußte auch nicht, wie ich mich auf höflichere Weise ausdrücken sollte. Also war sie schließlich doch in Kult-Phrasen abgeglitten. Sie hätte mir genausogut erzählen können, daß Violet Mosala und Henry Buzzo die Inkarnationen zweier verfeindeter Hindu-Gottheiten waren – oder daß Atlantis sich aus dem Meer erheben und Sterne vom Himmel fallen würden, wenn die Letzte Gleichung niedergeschrieben wurde.
    Allerdings bezweifelte ich, daß ich dasselbe unangenehme Kribbeln auf dem Rücken und den Armen verspürt hätte, wenn sie etwas Derartiges gesagt hätte. Sie hatte sich weitestgehend im sicheren Fahrwasser der Wissenschaft gehalten, um meinen Widerstand erlahmen zu lassen.
    »Wir können diese Entstehung des Universums nicht beobachten, weil wir ein Teil davon sind, weil wir in der Raumzeit gefangen sind, die durch den Akt der Erklärung erschaffen wurde. Wir können nur hoffen, im Laufe der Zeit mitzuerleben, wie diese eine Person die UT entwickelt, all ihre Konsequenzen begreift und - auf unsichtbare, unwahrnehmbare Weise – uns alle durch ihr Verstehen erschafft.«
    Sie lachte unvermittelt auf und brach damit den Bann. »Es ist nur eine Theorie. Die zugrundeliegende Mathematik ist hieb- und stichfest – nur die Realität ist ihrem Wesen nach unüberprüfbar. Also könnten wir uns natürlich auch irren.
    Aber jetzt verstehen Sie vielleicht, warum jemand wie Akili – weil hie vielleicht etwas zu leidenschaftlich daran glaubt, daß wir recht haben könnten – alles tun will, damit Violet Mosala nichts zustößt.«
     
    Ich ging weiter nach Süden, als ich mußte – zur nächsten Straßenbahn-Haltestelle hinter derjenigen, an der ich ausgestiegen war. Ich mußte eine Weile unter dem freien Sternenhimmel sein, um wieder auf die Erde zurückzufinden. Auch wenn Stateless nicht unbedingt als zuverlässiger, fester Boden zu bezeichnen war.
    Ich war sehr erleichtert über die Offenbarungen dieses Abends. Sie schienen alles zu umfassen und all das sinnvoll zu erklären, was mich bisher davon abgehalten hatte, meine Arbeit zu tun.
    Die AKs waren harmlose Spinner, und obwohl es sicher unterhaltsam wäre, ihnen eine Fußnote in Violet Mosala zu widmen, würde es kaum das Gesamtbild der Dokumentation verfälschen, wenn ich sie einfach wegließ – gemäß ihren und Mosalas Wünschen. Warum sollte ich beide Parteien im Namen des furchtlosen Journalismus vor den Kopf stoßen, wenn ich damit bestenfalls ein leises Schmunzeln beim Zielpublikum von SeeNet auslösen konnte?
    Und Kuwale war einfach nur paranoid – was ich verstehen, wenn auch nicht rechtfertigen konnte. Das Leben einer potentiellen Schlüsselfigur durfte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Es bestand kaum die Gefahr, daß das Universum in sich zusammenfiel, wenn die betreffende Person starb, bevor sie alles ›durch ihr Verstehen erschaffen‹ hatte, weil es dann eben eine andere Person tun würde. Trotzdem waren die Kandidaten für diesen Schöpferposten anbetungswürdig, und die Gerüchte über Mosalas Emigration mußten Kuwale so erschreckt haben, daß hie überall Feinde aus dem Riff-Fels hervorkriechen sah.
    Ich wartete in einer verlassenen Straße auf die Bahn, während ich durch die klare, kühle Luft auf die atemberaubendende Fülle von Sternen – und Satelliten – starrte. Conroys elegante und perverse Phantasie spukte mir natürlich immer noch im Kopf herum. Ich dachte: Wenn Mosala wirklich die Schlüsselfigur ist, dann ist es gut, daß sie die AKs mit solcher Verachtung straft. Wenn ihre Erklärung des Universums in einer konventionellen UT bestand – und weiter nichts –, dann war alles gut. Wenn sie die Anthrokosmologie jedoch ernst nahm… dann würde sie doch sicherlich aus dem fest gestrickten Erklärungsmuster gerissen werden, das sie für uns alle erstellen sollte, oder? Eine Theorie für Alles war keine Theorie für Alles, wenn es noch eine weitere Ebene gab, eine tiefere Ebene der Wahrheit.
    Schließlich war es schon sehr viel verlangt, wenn jemand ein gesamtes Universum wachsen lassen sollte, in das er sich einhüllen konnte. Einschließlich der eigenen Vorfahren (die benötigt wurden, um die eigene Existenz zu erklären), der Milliarden von menschlichen Verwandten (eine unvermeidbare

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