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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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die Augen. In seinem Kopf hämmert es: eine zweite Dosis der
optogenetischen Waffe innerhalb eines Tages. Die Stimme des Zaddik klingt hohl
und wie aus weiter Ferne.
    »Deshalb«, sagt der Zaddik. »Weil du andauernd verletzt wirst. Und
weil sich da draußen Dinge herumtreiben, die noch gefährlicher sind als die
Wasilews. Überlass uns den Dieb. Geh nach Hause. Versöhne dich mit deinem
Zoku-Mädchen. Leben ist mehr als Phantome und Gogol-Piraten zu jagen.«
    »Und warum … sollte ich auf dich hören?«
    Der Zaddik antwortet nicht. Aber Isidore spürt eine sanfte Berührung
auf der Wange und einen leichten Kuss auf die Stirn, begleitet von dem
eigenartigen Gefühl, dass die Silbermaske zerfließt. Die Berührung ist so
leicht und weich, dass Isidore Adrian Wu ausnahmsweise einmal recht geben
würde. Und da ist noch dieses Parfüm, ein schwacher Kiefernduft …
    »Ich verlange gar nicht, dass du auf mich hörst«, sagt der Zaddik.
»Sei einfach nur vorsichtig.«
    Der Kuss brennt ihm auf der Stirn, als er die Augen aufschlägt.
Plötzlich herrscht um ihn herum reger Betrieb. Stimmen sind zu vernehmen:
Wiedererwecker und rot-weiße Sanitäts-Schweiger. Aber der Zaddik ist
verschwunden. In Isidores Augen blitzen erneut die Lichter auf, und er schließt
die Lider. Wie ein Feuerwerk , denkt er. Und dabei
taucht, kurz bevor es dunkel wird, eine Frage auf.
    Woher wusste der Zaddik von dem Feuerwerk?

15   Der Dieb und die Göttin
    Mieli und ich starren den Fremden an. Er steht auf und
schlüpft in seine Jacke. »Möchte jemand von Ihnen einen Drink?« Er tritt an den
Fabber und füllt sein Glas. »Bedaure, aber ich habe mich schon selbst bedient,
während ich wartete. Sie sind wohl am Feiern, und das ist ja auch kein Wunder.«
Er nimmt einen Schluck. »Sie haben da ein hübsches kleines Husarenstück
abgeliefert. Wir haben es mit Interesse verfolgt.«
    Komm schon! Ich stupse Mieli vorsichtig
an. Mit dem Burschen wirst du doch fertig. Bringen wir ihn
zum Reden.
    Mieli sieht mich nur merkwürdig an.
    Der Mann nickt ihr zu. »Übrigens vielen Dank für die Einladung.
Meine Partner und ich wissen Ihre Geradlinigkeit zu schätzen.« Er wirft seine
Zigarre in sein Glas; sie erlischt mit leisem Zischen. »Aber wo sind meine
Manieren? Bitte.« Er deutet auf die Couch. »Nehmen Sie doch Platz.«
    Ich packe Mieli an der Schulter. Einladung? Sie schüttelt mich ab. Später . Die oortische Sängerin
aus dem Roten Seidentuch ist verschwunden, ihre Züge
sind wieder hart wie Stein. Ich begreife, dass sie für eine Diskussion gerade
nicht in Stimmung ist, und setze mich neben sie. Der Mann hockt sich auf die
Tischkante und zieht die Augenbrauen hoch.
    »Übrigens, Jean, ich bin überrascht. In alten Zeiten hätten Sie sehr
viel weniger Umstände gemacht. Sie hätten nicht gewartet, bis jemand freiwillig
stirbt, Sie hätten Leichen produziert, wo immer Sie welche brauchten. Sie
werden doch nicht verweichlichen?«
    »Ich bin Künstler«, erwidere ich. »Und mit Leichen macht man keine
gute Kunst. Das hätte ich Ihnen doch sicher auch in alten Zeiten geantwortet,
Monsieur?«
    »Ich bitte vielmals um Entschuldigung«, versetzt er. »Das ist nicht
mein eigener Körper. Der junge Mann kehrte heute Morgen aus dem Schweigen
zurück, und ich habe ihn für dieses Treffen in Besitz genommen. Ich wollte Sie
nicht in … Versuchung führen, mir Schaden zuzufügen.« Er holt eine neue Zigarre
heraus, befeuchtet die Spitze mit dem Mund und riecht dann daran. »Außerdem
macht es Spaß, hin und wieder etwas Neues auszuprobieren. Sie können mich
Robert nennen. Wir kennen uns von früher, auch wenn Sie sich vielleicht nicht
daran erinnern. Und seither haben wir beide Karriere gemacht: Ich bin zu einem
der … aufgeklärten Individuen geworden, die Ihre Freunde, die Zaddikkim,
Kryptarchen nennen, während Sie es offenbar nur zum Gefangenen gebracht haben.«
    Robert der Kryptarch zündet die Zigarre an und zieht daran. Die
Spitze leuchtet rot auf. »Das klingt doch verdächtig nach Karma, nicht wahr?
Ich finde, es sollte als Funktion in die nächste Generation des
Wiedererweckungssystems eingebaut werden.«
    »Was wollen Sie?«, frage ich.
    Er zieht wiederholt die Augenbrauen hoch. »Nun ja, Ihre Partnerin
hat uns einen sehr interessanten Vorschlag gemacht. Vielleicht möchte ihn die
Dame für Sie wiederholen?«
    Mieli sieht mich an. Ihr helles Make-up passt nicht zum harten Licht
dieses Raumes: Sie sieht damit aus wie eine Leiche.
    »Sie hören auf,

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