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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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kodiert, jederzeit
gekauft und zum Sobornost gebracht werden, ohne dass jemand Fragen stellte. Man
brauchte kein Piratenfunkgerät aufzubauen, um sie zu senden, das ganze
Bewusstsein steckte in einer leckeren Schokoladenhülle wie in einem Osterei.«
    Élodie starrt ihn ausdruckslos an.
    »Ich begreife nur nicht, wie du es über dich bringen konntest«, sagt
er.
    »Es spielte keine Rolle«, zischt sie. »Er hat keinen Laut von sich
gegeben. Er hatte keine Schmerzen. Als ich ging, war er nicht einmal tot.
Niemand hat etwas verloren. Sie werden ihn zurückholen, sie holen uns ja alle
zurück. Und dann machen sie uns zu Schweigern.
    Es ist nicht fair. Wir haben ihre beschissene Monarchie nicht
zerstört. Wir haben die Phoboi nicht gemacht. Es ist nicht unsere Schuld. Wir
sollten ein echtes ewiges Leben haben, so wie sie .
Das wäre unser gutes Recht.«
    Élodie spreizt langsam die Finger. Unter ihren Fingernägeln schießen
haarfeine Nanofilamente in allen Regenbogenfarben hervor wie Kobras und breiten
sich fächerförmig aus.
    »Aha«, sagt Isidore. »Die Upload-Fasern. Ich habe mich schon
gefragt, wo sie geblieben sind.«
    Élodie kommt mit eigentümlich ruckartigen Schritten auf ihn zu. Die
Spitzen der Filamente leuchten auf. Zum ersten Mal beschleicht Isidore der
Verdacht, er könnte tatsächlich nicht rechzeitig zu der Party kommen.
    »Sie hätten mich nicht an einen privaten Ort bestellen sollen«, sagt
sie. »Und sie hätten Ihren Zaddik mitbringen sollen. Sebs Freunde werden auch
für Sie bezahlen. Vielleicht sogar noch mehr als für ihn. «
    Die Upload-Filamente schießen wie Peitschen aus Licht auf sein
Gesicht zu. Sie bohren zehn winzige Löcher in seinen Schädel, eine eigenartige
Mattigkeit überfällt ihn. Seine Gliedmaßen gehorchen ihm nicht mehr, er spürt,
wie er vom Stuhl aufsteht, wie seine Muskeln unwillkürlich reagieren. Élodie
steht mit ausgebreiteten Armen vor ihm wie ein Puppenspieler.
    »Hat er das gesagt? Dass es keine Rolle spielen würde? Dass sie
deinen Vater auf jeden Fall wieder hinkriegen würden?« Die Worte kommen nur
stockend heraus. »Sieh ihn dir an.«
    Isidore öffnet ihr sein Gevulot und gibt ihr die Exo-Erinnerung aus
der Unterwelt. Der Chocolatier schreit und zappelt und stirbt in dem
unterirdischen Gewölbe immer und immer wieder.
    Sie starrt ihn mit weit geöffneten Augen an. Die Fasern sinken
herab. Isidore werden die Knie weich. Der Betonboden ist hart.
    »Das wusste ich nicht«, sagt sie. »Er hat nie …« Sie starrt auf ihre
Hände. »Was habe ich …« Ihre Finger krümmen sich zu Krallen, die Fasern folgen,
schießen auf ihren Kopf zu, verschwinden in ihrem Haar. Mit zuckenden Gliedern
fällt sie zu Boden. Er will nicht hinsehen, aber er hat nicht die Kraft, sich
zu bewegen, er kann nicht einmal die Augen schließen.
    »Das war eine der spektakulärsten Demonstrationen von Dummheit, die
ich jemals erlebt habe«, sagt der Gentleman.
    Isidore lächelt matt. Der Medschaum, der seinen Kopf bearbeitet,
fühlt sich an wie ein Helm aus Eis. Er liegt auf einer Bahre vor der Fabrik.
Wiedererwecker in schwarzen Gewändern und schnittige Bio-Drohnen aus der
Unterwelt ziehen an ihnen vorbei. »Das Mittelmaß war nie mein Ziel«, sagt er.
»Hast du den Wasilew erwischt?«
    »Natürlich. Der Junge, Sebastian. Er kam in den Laden und versuchte,
das Kleid zu kaufen, angeblich sollte es eine Überraschung für Élodie sein, um
sie aufzuheitern. Hat sich bei seiner Gefangennahme selbst zerstört, wie sie es
alle tun, und dabei fjodorowistische Propagandaparolen geschrien. Hätte mich
fast mit einem Waffen-Mem erwischt. Sein Gevulot-Netzwerk wird sich nicht so
leicht ausheben lassen: Ich glaube nicht, dass Élodie die Einzige war.«
    »Wie geht es ihr?«
    »Die Wiedererwecker verstehen ihr Handwerk. Die kriegen sie schon
wieder hin, wenn es möglich ist. Und dann kommt sie vermutlich vorzeitig ins
Schweigen, hängt davon ab, was die STIMME sagt.
Aber ihr diese Erinnerung zu geben – das war nicht gut. Damit hast du sie sehr
verletzt.«
    »Ich habe getan, was nötig war. Sie hat es verdient«, sagt Isidore.
»Sie ist eine Verbrecherin.« Die Erinnerung an den Tod des Chocolatiers liegt
ihm immer noch wie ein kalter, harter Klumpen im Magen.
    Der Gentleman hat den Hut abgenommen. Darunter schmiegt sich das
unbekannte Material der Maske an die Konturen seines Kopfes an. Das lässt ihn
irgendwie jünger aussehen.
    »Und du bist so dumm, dass es ein Verbrechen ist. Du hättest Gevulot
mit

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