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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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zusammen und fängt eine von den Kugeln mit der Hand. Mit großer Wahrscheinlichkeit
enthält die Kugel die Kopie eines Wasilew-Bewusstseins – dem wird man später
einige Fragen zu stellen haben.
    Dann fallen sie alle auf einmal über sie her. Eine Masse von Körpern
liegt auf ihr, ein Berg aus koordiniertem Synthfleisch. Ihre Hiebe und Tritte
werden ignoriert, sie dringen wie durch einen Nebel. Ihr Schädel wird gegen den
Boden gepresst. Sie schickt einen Satz Koordinaten an Perhonen . Los.
    Feuer rast vom Himmel und trennt den Balkon wie mit einem
Chirurgenskalpell von der Hüfte der Stadt ab. Metall knirscht. Von oben regnet
hartes, heißes Licht aus Perhonen s Flügeln.
    Mieli ist plötzlich schwerelos und fühlt sich wie zu Hause. Sie
steuert durch blutigen Nebel und ineinander verschlungene Körper, findet den
Dieb und ergreift ihn. Dann fährt sie ihre Schwingen aus. Das Gefühl – sie
öffnen sich an ihren Schultern wie Blütenknospen – versetzt sie wie jedes Mal
in ihre Kindheit zurück, zu den Flügen durch die Wälder ihres Kotos im Eis und
zu den Wettrennen mit den Paraspinnen. Aber jetzt sind ihre Flügel umgestaltet,
sie sind kräftiger und können trotz der Schwerkraft dieser Stadt sowohl sie
selbst wie auch den Dieb tragen.
    Gemeinsam brechen sie durch die Decke der Galerie. Die verbogenen
Reste des brennenden Balkons und die Wasilews stürzen zu den Beinen der Stadt
hinab.
    Schade um die Brunnenfiguren , denkt sie.
    Die Welt ist ein Hexenkessel aus Körpern und Detonationen. Es
riecht nach verbranntem Fleisch. Ich zwinkere, und mein Körper wird gegen eine
Steinwand geschleudert. Knatternde Donnerschläge erschüttern mein Gehirn. Mieli
hält mich in den Armen, ich breche durch Glas, wir fliegen ,
und unter uns sind Flammen, ein Rauschen wie in einem Windtunnel saugt mir die
Luft aus den Lungen …
    Ich schreie. Und dann stürze ich. Etwa einen Meter weit. Bei
Mars-Schwerkraft! Ich lande auf dem Rücken, in meinen Ohren dröhnt es, vor
meinen Augen zucken Blitze in allen Farben, mein Mund bleibt offen, obwohl
keine Luft mehr aus meinen Lungen kommt.
    »Hör auf damit«, sagt Mieli. Sie kniet wenige Meter von mir
entfernt, und ein Paar Flügel zieht sich langsam in
ihren Rücken zurück, zarte Silberbäume mit spinnwebfeinen Ästen, dazwischen
eine durchsichtig schillernde Membran, die aussieht wie das Material von Perhonen s Tragflächen. Dann sind auch sie verschwunden.
    »Verdammt«, sage ich, als ich wieder atmen kann. Wir liegen auf
einem leicht schrägen Dach irgendwo am Rand der Stadt. Die Feuersbrunst und
eine Rauchsäule am Horizont zeigen an, wo wir noch vor wenigen Sekunden waren.
Zaddikkim senken sich wie ein Krähenschwarm auf das Schlachtfeld nieder.
»Verdammt, verdammt, verdammt.«
    »Ich habe gesagt, du sollst damit aufhören«, wiederholt Mieli und
steht auf. Die Toga hängt ihr in Fetzen vom Leib, dazwischen ist ihre glatte
braune Haut zu sehen. Als sie meinen Blick bemerkt, dreht sie mir den Rücken
zu, bis sich die Risse wieder geschlossen haben.
    »Ver…« Ich unterbreche mich und ziehe keuchend die Luft ein. »Diese
Dreckskerle. Jemand hat es ihnen verraten. Wer wir sind. Jemand hat es
gewusst.«
    Meine Täubchen , kommt es von Perhonen .
    Ich bin froh, dass es euch gut geht, aber ihr
werdet ein paar Stunden nichts mehr von mir hören. Ich musste meine
Warteposition fluchtartig und im Tarnkappenmodus verlassen: Die
Orbital-Schweiger mögen blind und taub sein, aber selbst ihnen ist nicht
entgangen, dass ich mit Lasern auf ihren Planeten gefeuert habe. Ich melde
mich, wenn ich zurückkomme. Passt auf euch auf.
    »Was ist vorhin passiert?«, frage ich Mieli.
    »Sie haben angegriffen. Ich musste Perhonen bitten, sie abzuschießen, trotz größter Bedenken. Protokoll.«
    »Dann sind sie alle – tot?«
    »Zerstört. Keine Möglichkeit einer Synchronisierung mit dem
Exospeicher; sollten sie wiedererweckt werden, dann können sie sich nicht an
uns erinnern. Es waren getarnte Wasilews, sie waren wohl kaum für
Neutrinokommunikation ausgerüstet.«
    »Heilige Scheiße. Kollateralschäden?«
    »Nur die Kunst«, gibt Mieli zurück. Ich kann unmöglich erkennen, ob
sie das ernst meint. »Aber du hast ja bekommen, was wir haben wollten, nicht
wahr?«
    Ich überprüfe den Speicherauszug, den mir das kleine Piratenmädchen
übertragen hat. Er ist nicht ganz vollständig, aber die wichtigsten Bereiche
sind intakt.
    »Ja. Ich werde mir das genauer ansehen müssen.« Ich reibe mir

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