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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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Tausenden durch die blaue Nacht, große und kleine, wie Sterne an
einer umgedrehten Himmelskuppel.
    »Nicht das Geringste«, versichere ich ihr. Wir stoßen an. Ihre
Finger streifen die meinen. Wieder küsst sie mich, langsam, sehr bewusst, und
streicht mit einer Hand leicht über meine Schläfe. »Ich möchte mich an dies
alles erinnern«, sagt sie. »Und ich möchte, dass du dich daran erinnerst.«
    Warm und weich liegt ihr Körper auf mir, ihr Parfüm duftet wie ein
ganzer Kiefernwald, ihr Haar kitzelt mich im Gesicht wie
    Regen, ich betrinke mich mit Isaac dem Rabbi im
Regen, wir singen laut, ich komme spätnachts nach Hause und zerre sie mit mir
hinaus, um ihr die Wolken unter der Kuppel des Engelsnetzes zu zeigen, und ihr
Haar wird feucht
    während ringsum die Musik anschwillt, kommen die Erinnerungen
    wie sie zum ersten Mal für mich spielte, nachdem
wir uns geliebt hatten, nackt, wie ihre Finger leicht und langsam über die
schwarzen und weißen Tasten tanzten
    ihre Hand zieht Linien über meine Brust
    Karten und Zeichnungen, Architektur, Formen, die
sich zusammenfügen, lange Stunden; und sie nimmt eine der Skizzen und sagt, sie
sähen aus wie eine Partitur
    »Erzähl mir was«, sagt sie
    und ich erzähle, dass ich ein Dieb bin, erzähle
von dem Jungen in der Wüste, der Gärtner werden wollte, erzähle von dem Wunsch,
ein neues Leben anzufangen, und zu meiner Überraschung läuft sie nicht weg,
sondern lacht nur
    leise
    wie die Pfoten einer tanzenden Katze in einem
prächtigen Hut, ein gestiefelter Kater, ein Wesen aus einem Traum in den Gängen
eines Schlosses –
    »Du verdammter Dreckskerl. Es ist doch unglaublich«, schreit
Raymonde.
    Die Gegenwart ist eine Champagnerflasche, die auf meinem Kopf
zerbricht. Ich bin kurz weggetreten, und als ich wieder sehen kann, liege ich
auf dem Boden, und sie steht vor mir, einen alten Spazierstock in der Hand.
    »Hast du. Eine Ahnung. Was du getan hast?«
    Ihr Gesicht ist eine Maske aus Silber, ihre Stimme ein
Reibeisenchor. Und ich habe mich gerade noch gefragt, wo auf
dieser Welt die Polizei bleibt , überlege ich noch matt, als auch schon
Mieli durch das Fenster kracht.
    Mieli zerbricht mit ihren Flügeln das Pseudoglas. Die Scherben
schweben schneeflockengleich in Zeitlupe durch den Raum. Der Metakortex
überschwemmt sie mit Informationen. Der Dieb ist hier ,
der Zaddik da, ein Kern aus menschlichem Fleisch in
einer Wolke von Nano-Kampfnebel.
    Bei der Verfolgung des Diebes hat sie auf jedes Versteckspiel
verzichtet, sie hat Perhonen befohlen, noch einmal
ihre Tarnung zu riskieren und WIMP -Scans auf
massive, schwach wechselwirkende Teilchen durchzuführen, um die Stelle zu finden,
wo das Signal des Biot-Feeds verloren ging. Dann hat sie sich in einem
Gevulot-Schleier in den Himmel geschwungen und dabei das Dossier des Schiffes
zu der Frau überflogen. Es dauerte eine Ewigkeit, die Teile zusammenzusetzen,
aber sie ist nicht überrascht, als sie erfährt, dass der Zaddik den Dieb mit zu
sich nach Hause genommen hat.
    Sie will sich den Dieb schnappen und mit ihm so schnell abziehen,
wie sie gekommen ist, aber der Nebel ist schneller, er umschließt ihre Flügel
mit einer dicken Gelschicht, will sich in ihre Lungen zwängen und die Mündung
ihrer Geisterwaffe verstopfen. Sie feuert im Blend/Betäubungsmodus einen
Quantenpunkt ab. Er explodiert wie eine Miniatursonne. Aber der Nebel bleibt
ihm einen Schritt voraus. Um den grellen Stecknadelkopf herum wird er zu einer
dicken weißen Wolke und lässt nicht viel mehr hinaus als eine Lavalampe. Dann
werden auch die Radiatoren ihrer Flügel blockiert, die Abwärme wird nicht mehr
abgeleitet, und sie muss auf Normalzeit zurückschalten.
    Der Foglet-verstärkte Fausthieb des Zaddik fühlt sich an wie eine
Kollision mit einem oortischen Kometen. Er schleudert sie durch ein Glasregal
und die Wand dahinter. Sie durchschlägt den Gips und das Keramikglas wie nassen
Sand. Ihre Panzerung schreit auf, und eine mit Quickstein verstärkte Rippe
bricht sogar. Ihr Metakortex dämpft den Schmerz; sie rappelt sich in einer
Trümmerwolke auf. Sie befindet sich im Badezimmer. Aus dem Spiegel starrt ihr
ein Monsterengel entgegen.
    Wieder regnet es Hiebe. Sie versucht sie zu blockieren, aber sie
zerfließen und schlingen sich um ihre Arme. Der Zaddik bleibt außer Reichweite,
die amorphen Foglets formen sich zu Verlängerungen ihres/seines Willens. Mieli
kämpft gegen einen Geist. Sie braucht mehr Bewegungsfreiheit. Sie leitet Energie
aus

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