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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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dabei verletzt wird.
Bitte, bitte?
    Für einen so schnell denkenden Gogol überlegt sich das Schiff seine
Antwort beunruhigend lange. Na schön , sagt es
endlich. Du hast eine Minute.
    Schon wieder eine Frist. Du bist noch schlimmer
als sie.
    »Raymonde, darf ich dir Mieli vorstellen? Mieli, das ist Raymonde.
Raymonde und ich waren einmal ein Paar; Mieli wiederum behandelt mich eher wie
einen Gegenstand. Aber ich habe ihr gegenüber eine Ehrenschuld abzutragen,
deshalb beklage ich mich nicht. Nicht allzu sehr.« Ich hole tief Luft.
»Raymonde, das ging nicht gegen dich persönlich. Ich muss nur mein altes Ich
wiederfinden.« Sie verdreht die Augen. Jetzt sieht sie so vertraut aus, dass es
wehtut.
    Ich wende mich an Mieli. »Ganz im Ernst, war das
wirklich nötig? Ich hatte alles unter Kontrolle.«
    »Ich war gerade dabei, dir den Kopf abzureißen«, sagt Raymonde.
    »Das Safeword ist vermutlich eines der vielen Dinge, an die ich mich
nicht erinnern kann«, seufze ich. »Pass auf. Lassen wir dich und mich einmal
beiseite. Ich bin auf der Suche. Du kannst mir helfen. Du bist ein Zaddik – was
ich übrigens sehr cool finde –, und deshalb gibt es sicher auch etwas, womit
wir uns revanchieren können. Zum Beispiel mit Gogol-Piraten. Scharenweise. Auf
dem Silbertablett.« Sie sehen mich beide kurz an, und ich bin überzeugt, dass
die Prügelei gleich wieder anfängt.
    »Na schön«, sagt Raymonde. »Lass uns reden.«
    Ich atme erleichtert auf, werfe die Waffe klirrend zu Boden und
danke Ares, dass sie nicht losgeht.
    »Ich nehme nicht an, dass du uns ein gewisses Maß an Privatsphäre
zugestehen könntest?« Ich sehe Mieli an. Sie sieht aus wie ein Wrack: Ihre Toga
ist wieder zerrissen, und ihre Flügel hängen herab wie zwei abgebrochene kahle
Äste. Aber sie wirkt immer noch so bedrohlich, dass ich auch ohne Worte weiß,
was sie denkt. »Vergiss die Frage.«
    Raymonde stellt sich vor das zerbrochene Fenster und steckt die
Hände in die Ärmel. »Was ist passiert?«, frage ich sie. »Wer war ich hier?
Wohin bin ich gegangen?«
    »Du weißt es wirklich nicht mehr?«
    »Absolut nicht.« Noch nicht jedenfalls.
Die neuen Erinnerungen müssen sich in meinem Kopf erst zu einem Bild
zusammenfügen, es sind zu viele, um sie in so kurzer Zeit aufzunehmen; und sie
lösen ganz merkwürdige Kopfschmerzen aus.
    Sie zuckt die Achseln. »Es spielt keine Rolle.«
    »Ich habe hier etwas deponiert. Geheimnisse. Werkzeuge.
Erinnerungen. Nicht nur den Exospeicher, sondern etwas anderes, Größeres. Weißt
du, wo?«
    »Nein.« Sie runzelt die Stirn. »Aber ich habe eine Idee. Wenn ich
dir allerdings helfen soll, musst du mir schon mehr anbieten als ein paar
Gogol-Piraten. Und deine neue Freundin schuldet mir eine neue Wohnungseinrichtung.«

0   Intermezzo:
    Weisheit
    Vom Tod zurück ins Leben sind es nur ein paar Schritte.
Vorne ist Licht, aber man geht wie durch Wasser, jeder Schritt ist langsam und
schwer; dann spürt Bathilde, wie sie hinaufgetragen wird und ihren Körper in
seinem Quicksuit verlässt. Sie beobachtet, wie sie sich da unten weiterkämpft
und wie der Messinghelm im Licht glänzt. Aus irgendeinem Grund hat offenbar
alles seine Richtigkeit. Sie lässt ihren Leib zurück und steigt nach oben, dem
Licht entgegen. Endlich , denkt sie …
    … und tritt in die Marsdämmerung. Fast wäre sie gestürzt,
aber sie wird von zwei starken Armen gehalten. Sie zwinkert und ringt nach
Luft. Dann schaut sie zurück zur Halle der Geburt und des Todes: ein niedriges,
lang gestrecktes, rechteckiges Gebäude, das von Bau-Schweigern gedruckt wurde
und mitten in der Marswüste eine Meile von der Bahn der Stadt entfernt in einem
flachen Graben steht. Es besteht nur aus Kies und Sand, die mit Bakterienpaste
zusammengeklebt wurden, und hat auf allen Seiten schmale Schlitze und
Gucklöcher. Vor dem massigen Phoboi-Wall der Schweiger sieht es wie ein
Kinderbaustein aus. Aber im Inneren …
    »Du meine Güte«, sagt Bathilde und holt tief Atem.
    »Wie war es denn nun?«, fragt Paul Sernine, der ihren kurzen Tod
geplant hat. Er stützt sie sanft und führt sie weg vom Ausgang, wo bereits die
nächsten benommenen Gäste auftauchen. Ihr Protégé grinst sie hinter dem Glas
seines Helms triumphierend an. »Du siehst aus, als könntest du einen Schluck
vertragen.«
    »O ja«, sagt Bathilde. Paul reicht ihr ein Champagnerglas in einer
kleinen Quantenpunkt-Blase. Sie nimmt es und trinkt. Der reine Geschmack in der
trockenen Luft des Helms ist

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