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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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dem Fusionsreaktor in ihrer Hüfte in die Mikroventilatoren der Flügel. Ein
mächtiger Wind heult auf. Die Foglets zerstieben. Sie packt eine Handvoll,
schluckt sie und lässt sie von einem Gogol analysieren. Da. Längst überholter Kampfnebel aus dem Protokollkrieg. Der Gogol wird ein paar
Minuten brauchen, um die richtigen Gegenmaßnahmen zu entwickeln.
    Als die Flügel wieder frei sind, leitet sie so viel Abwärme ab, dass
sie wieder in die Beschleunigung schalten kann. Jetzt geht sie gemächlich wie
ein Spaziergänger auf den Zaddik zu und duckt sich unter statischen
Foglet-Fingern hindurch, die in ihrem erweiterten Blickfeld wie Bäche aus
gefrorenen Seifenblasen in der Luft hängen. Der Zaddik ist eine Statue mit
silberner Maske. Mieli zielt sorgfältig auf eine weiche Stelle an ihrem
menschlichen Halsansatz, der Schlag ist genau berechnet, um sie auszuschalten –
    – doch ihre Hand gleitet durch ein Foglet-Bild.
    Der Gödelangriff ist, als würde ein Lautsprecher mit 120 Dezibel
gegen ihr Trommelfell gepresst. Auf genetischen Algorithmen basierende Viren
überfluten ihre Systeme und versuchen, an den Maschinen vorbei in ihr
menschliches Gehirn zu gelangen. Der Gogol für die Gegenmaßnahmen winselt
etwas. Sie schleudert ihn dem Nebel entgegen und schaltet alle ihre Systeme ab.
    Plötzlich nur noch ein Mensch zu sein, das fühlt sich an wie eine
schwere Erkältung. Für einen Moment ist sie dem Griff der Foglet-Finger hilflos
ausgeliefert, die Flügel hängen ihr schlaff über den Rücken. Dann greifen die
Gegenmaßnahmen, und der Nebel zerspringt zu inaktivem weißem Pulver. Sie fällt,
ein Wesen aus Fleisch und Blut, keuchend und hustend zu Boden.
    Der Raum bietet ein Bild der Verwüstung: zerbrochene Möbel, Glas und
toter Nebel. Mittendrin steht der Zaddik mit ihrem Spazierstock in der Hand.
Aber auch sie ist jetzt nur noch ein Mensch. Wobei man ihr zugestehen muss,
dass sie schnell reagiert und mit den schlurfenden Schritten eines
Kendo-Kämpfers, den Spazierstock hoch erhoben, rasch auf Mieli losgeht.
    Mieli will, ohne aufzustehen, der Frau mit der Silbermaske die Füße
wegziehen. Aber die springt in der niedrigen Schwerkraft mühelos unglaublich
weit in die Höhe und will gezielt auf ihre Gegnerin einschlagen. Die rollt sich
zur Seite, lässt einen Salto folgen, der sie wieder auf die Beine bringt,
schlägt nach dem Zaddik und wird vom Spazierstock schmerzhaft aufgehalten –
    »Aufhören. Alle beide«, ruft der Dieb. Er hat eine Waffe, ein
primitives Metallding, das in seiner Hand lächerlich groß aussieht. Aber es ist
offensichtlich gefährlich, und er zielt, ohne zu zittern. Natürlich.
Er hat sich im Gefängnis viel mit Feuerwaffen beschäftigt. Und die
Fernsteuerung für seinen Sobornost-Körper ist ebenso tot wie der Rest von
Mielis Systemen nach dem Angriff des Zaddik. Typisch.
    »Ich schlage vor, wir setzen uns alle – falls wir eine
Sitzgelegenheit finden können. Und dann unterhalten wir uns wie zivilisierte
Leute«, sagt er.
    »Die anderen werden bald hier sein«, behauptet Raymonde.
    Mir brummt der Kopf, und der Staub in der Wohnung reizt mich zum
Husten. Aber ich erkenne immer noch, wenn jemand blufft. »Nein, das werden sie
nicht. Ich schätze, Mieli hat deinem niedlichen Nebel den Garaus gemacht. Und
umgekehrt, denn schließlich kann ich noch laufen und sprechen. Eigentlich wäre
das der richtige Moment für eine Flucht, aber das ginge gegen meine verdammte
Ehre.« Mieli schnaubt verächtlich. Ich winke mit dem Revolver. »Such dir einen
Platz.«
    Ohne sie aus den Augen zu lassen, nehme ich einen Schluck Champagner
aus dem einzigen Glas, das die Zerstörung überstanden hat. Er lindert das
Kratzen in meiner Kehle ein wenig. Dann setze ich mich auf ein Stück Mauer.
Mieli und meine Ex-Freundin sehen sich an, dann sucht sich jede in aller Ruhe
einen Platz, von dem aus sie die andere, aber auch mich im Auge behalten kann.
    »Ich fühle mich zwar geschmeichelt, wenn Frauen sich meinetwegen
prügeln, aber glaubt mir, ich bin es eigentlich nicht wert.«
    »Zumindest in diesem Punkt sind wir uns
einig«, stellt Raymonde fest.
    Hör mal , meldet sich Perhonen , ich bin zwar etwa vierhundert Kilometer über euch, aber ich
kann dir trotzdem die Hand wegbrennen, wenn du diese Waffe nicht fallen lässt. Autsch.
    Bitte. Das ist eine Antiquität. Wahrscheinlich
funktioniert sie nicht einmal. Ich bluffe nur. Bitte verrate es Mieli nicht.
Ich versuche, eine Lösung zu finden, ohne dass jemand

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