Quantum
Leben Bürger der Oubliette. Meine
Partnerin und ich suchen nach etwas, das mir gehört, und das ich hier
zurückgelassen habe. Euere Kollegin, die ich aus früheren Zeiten … gut kenne,
hat mir versichert, dass sie mir helfen kann. Im Gegenzug bieten wir euch
unsere Hilfe an.« Ich probiere den Wein. Old Badeker Solarancio. Die Stille hat
einen guten Geschmack.
»Ich weiß nicht, ob wir dieses Gespräch überhaupt führen sollten«,
sagt der Futurist. »Warum wollen wir Dritte in irgendetwas hineinziehen? Und in
Gottes Namen – wittere ich denn als Einzige die Sobornost-Technik, von der
dieses Miststück nur so strotzt?« Ihr Blick huscht von Raymonde zur Stille.
»Wenn überhaupt, dann sollten wir sie verhören. Das
wäre das Mindeste. Wenn du mit diesen Kreaturen eine gemeinsame Vergangenheit
hast, dann ist das allein deine Sache. Es besteht kein Anlass, auch den Rest
von uns in Gefahr zu bringen.«
»Natürlich übernehme ich für alles die volle Verantwortung«, sagt
Raymonde. »Aber ich glaube, sie haben Fähigkeiten, die uns helfen könnten,
endlich die Kryptarchen in den Griff zu bekommen.«
»Wolltest du dafür nicht dein Schoßhündchen von Detektiv
ausbilden?«, erkundigt sich der Basilisk. Ihre Kleidung gibt etwas mehr preis
als die der anderen: Sie trägt ein rotes Trikot und eine Maske im
venezianischen Stil, die ihre blonden Locken und den großen, sinnlichen Mund
frei lässt. Unter anderen Umständen würde ich meine ganze Aufmerksamkeit auf
sie richten.
Raymonde schweigt einen Moment. »Das ist ein anderes Thema, mit dem
wir uns jetzt nicht beschäftigen«, sagt sie dann. »Wir können uns ohnehin nicht
auf eine einzige Vorgehensweise beschränken. Was ich übrigens schon die ganze
Zeit sagen will: Wir doktern nur an den Symptomen herum. Fremdwelttechnik. Gogol-Piraten. Aber hinter alledem steckt eine
Krankheit, von der wir ebenso befallen sind wie die Leute, die wir beschützen
wollen.« Sie beugt sich über den Tisch. »Wenn sich also eine Gelegenheit
ergibt, mit einem Agenten von außen zu arbeiten, der uns helfen kann, dann
setze ich euch davon in Kenntnis.«
»Und der Preis?«, fragt der Rattenkönig. Er hat eine hohe, jugendliche
Stimme und einen dicken Körper. Seine Nagetiermaske sieht komisch aus, sie
lässt das Kinn frei und wirft etwa auf fünf Uhr einen Schatten.
»Lass den Preis ruhig meine Sorge sein«, sagt Raymonde.
»Und was genau können sie, was wir nicht können?« Der Futurist sieht
mich misstrauisch an.
Ich lächle zuckersüß. »Dazu kommen wir gleich, Mme. Diaz.« Ich kann
ihr Gesicht nicht sehen, aber ein Schauer überläuft sie und verwandelt sie für
einen Moment in einen roten Fleck, was mich sehr befriedigt.
Ich war in den zwei Tagen, die Raymonde brauchte, um dieses Treffen
einzuberufen, nicht müßig gewesen. Mieli hatte mir eine Datenbank mit halbwegs
zuverlässigen Hinweisen auf die Identitäten aller Zaddikkim überlassen, nach
deren Herkunft ich nicht zu fragen wagte. Das meiste konnte ich mit ein wenig
Lauferei und Gevulot-Klau absichern. Infolgedessen kenne ich zwar nicht die
Namen ihrer Haustiere oder ihre bevorzugten Stellungen beim Liebesakt, aber ich
weiß genug.
»Doch bevor wir dazu kommen, wäre es uns eine große Hilfe, wenn wir
wüssten, welche Ziele ihr hier eigentlich verfolgt.«
»Es geht uns um drei Dinge«, sagt Raymonde. »Wir wollen die Ideale
der Oubliette aufrechterhalten. Wir wollen ihre Bewohner vor Gogol-Piraten und
anderen Kräften von außen schützen. Und wir wollen herausfinden, von welchen
Mächten sie tatsächlich beherrscht wird, und diese Mächte vernichten.«
»Es begann mit der STIMME «, sagt
Raymonde. Ein rasches Blinkern liefert mir die Einzelheiten zum
e-demokratischen System der Oubliette: Über spezialisierte Mit-Erinnerungen
werden Wahlen entschieden und politische Maßnahmen beschlossen, die dann vom
Amt des Bürgermeisters und von staatlichen Schweiger-Dienern umgesetzt werden.
»Es gab … seltsame Muster in den Entscheidungen. Man befürwortete Öffnungen nach
außen. Die Gewährung von Staatsbürgerschaften an Fremdweltler. Die Abschwächung
von technologischen Restriktionen.
Wenig später tauchten die Gogol-Piraten auf. Die Stille gehörte
zu den ersten, die unter ihnen zu leiden hatten.« Sie berührt die Hand des
hochgewachsenen Zaddik. »Unser System ist nicht mehr stabil, wenn man Kräfte
von außen ins Spiel bringt. Die Schweiger kamen mit den Umbrüchen in der
Technologie nicht zurecht. Also
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