Quantum
Der Stoff
seiner Tunika erstrahlt in den Farben des längst verschwundenen Gasriesen. Im
Schatten der Bäume leuchtet sie schwach in verschiedenen Rot- und Weißtönen.
»Man kommt sich vor wie auf einem Fest in der alten Monarchie«, sagt
Isidore.
»Ha, getroffen. Auf jeden Fall nicht die schlechteste Art, ein paar
Hundert Megasekunden auszugeben.« Unruh lacht. Er hält seine UHR hoch, die mit einer Kette an seiner Weste befestigt
ist. Sie ist erstaunlich schlicht: eine schwarze Scheibe mit einem einzelnen
goldenen Zeiger. »Wann, schätzen Sie, wird der Raub stattfinden?«
»Wir haben alle denkbaren Vorkehrungen getroffen. Auch wenn er le
Flambeur heißt, er wird für seine Beute hart arbeiten müssen.«
Genau genommen bestehen die Sicherheitsvorkehrungen in etlichen sorgfältig
platzierten Agoren und in zusätzlichen Schweiger-Dienern, die Odette von der STIMME angefordert hat – Phoboi-Bekämpfer mit einem
breiten Spektrum an spezialisierten Waffen und Sensoren. Isidore kann nur
hoffen, dass das ausreichen wird. Er hat verschiedene raffiniertere
Möglichkeiten unter Einbeziehung von Schwarzmarkt-Technologie in Erwägung
gezogen, ist aber letztlich zu dem Schluss gekommen, sich damit mehr
Schwachstellen als Stärken einzuhandeln.
»Das ist der rechte Geist«, sagt Unruh und klopft Isidore auf die
Schulter. »Übrigens haben wir noch nicht über Ihr Honorar gesprochen.«
»M. Unruh, ich versichere Ihnen, dass …«
»Ja, gewiss, sehr anständig von Ihnen. Ich möchte Ihnen die
Bibliothek hinterlassen. Vielleicht können Sie etwas damit anfangen. Sie können
sie meinethalben auch niederbrennen. Odette hat den Vertrag bereits aufgesetzt;
ich werde nicht vergessen, das Gevulot auf Sie zu übertragen, bevor der Abend
zu Ende ist.«
Isidore starrt den Millenar ausdruckslos an. »Danke.«
»Keine Ursache. Machen Sie nur unserem ungeladenen Gast das Leben
schwer. Bringen Sie heute Abend eigentlich jemanden mit?«
Isidore schüttelt den Kopf.
»Wie schade. Doch nun muss ich mich noch einigen Ausschweifungen
hingeben, bevor ich sterbe. Sie entschuldigen mich?«
Isidore sieht eine Weile den Vorbereitungen zu und gibt den
Schweigern – gedrungenen Panthergestalten mit glänzend schwarzem Panzer –
Anweisungen zu ihren Streifengängen im Gelände. Dann begibt er sich in eines
der Gästezimmer, wo sein Sol Lunae-Kostüm bereitliegt. Er findet es immer noch
etwas feminin, zu eng an den falschen Stellen. Trotzdem zieht er es an. Er hat
das Gefühl, dass ihm etwas fehlt, und kommt endlich darauf, dass der
Verschränkungsring noch in seiner Hosentasche steckt. Er holt ihn heraus und
hängt ihn an seine UHR -Kette.
So ist es also, wenn man Lampenfieber hat, denkt er.
Raymonde und ich kommen mit modischer Verspätung zu der Party,
und so halten es auch alle anderen Gäste. Ringsum quellen Männer und Frauen in
raffinierten Kostümen, xantheischen Träumen aus Seide, Spitze und Nanomaterie,
aus den Spinnentaxis. Zeit ist das Motto, deshalb sieht man indische Götter und
Göttinnen aus dem darischen Kalender, Planeten und Sterne und auffallend zur
Schau getragene UHR EN.
»Ich fasse es immer noch nicht, dass ich mich von dir hierher
schleppen lasse«, sagt Raymonde. Ein humanoider Schweiger-Diener in prächtiger
Livree, das ausgeformte Gesicht hinter einer Maske verborgen, prüft die
Mit-Erinnerungen, die als Einladung ausgegeben wurden, und lotst uns in den
Gästestrom, der langsam den Sonnenuhrgarten füllt und sich dort in kleinere
Grüppchen aufteilt. Das Klirren der Gläser, die zu Herzen gehende
Ares-Nova-Musik und die Stimmen der Gäste vermischen sich zu einer ganz eigenen
berauschenden Symphonie.
Ich lächle Raymonde an. Sie trägt ein verführerisches Phobos-Kostüm,
ein tief ausgeschnittenes Kleid, weiße Handschuhe und eine Kugel im Unterleib,
die so hell leuchtet, dass sie strategisch wichtige Bereiche überstrahlt. Neben
ihr wirke ich mit meiner weißen Krawatte, den blitzenden UHR -Kopien und der Blume am Revers nur mäßig
geckenhaft.
»Ich versichere dir, dass dieser Auftrag weniger unmoralisch ist als
die meisten anderen, die ich jemals angenommen habe«, sage ich. »Ich beraube
die Reichen und beschenke die Armen. Sozusagen.«
»Trotzdem.« Sie nickt einem Paar zu, das als Venus und Mars
verkleidet ist. Ihr Gevulot gibt gerade so viel preis, dass sie gesehen werden
können. »Das ist es doch nicht, was wir tun. Eigentlich sogar ganz im
Gegenteil.« Der Schein des kleinen Phobos in ihrem Bauch
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