Quantum
verschlagen mir für eine Weile die Sprache. Doch als wir die
bekannteren breiten Straßen der Kante erreichen und Raymonde sich vom Gentleman
in ihr elegantes weibliches Ich zurückverwandelt, fühle ich mich zum Sprechen
genötigt.
»Ich danke dir«, sage ich. »Du bist ein großes Risiko eingegangen.
Ich werde tun, was ich kann, damit du es nicht zu bereuen brauchst.«
»Die Gefahr, dass du bei diesem Abenteuer verletzt wirst, ist groß«,
sagt sie. »Also bedanke dich lieber noch nicht.«
»War es wirklich so schlimm?«
»O ja, ich dachte schon, ich hätte einen Fehler gemacht, bis sich
deine Freundin zu Wort meldete.« Raymonde sieht Mieli voller Respekt an. »Das
war … eine noble Geste«, sagt sie. »Ich entschuldige mich für die Umstände
unserer ersten Begegnung und hoffe, wir können doch noch zusammenarbeiten.
Mieli nickt schweigend.
Ich sehe Raymonde an. Erst jetzt wird mir klar, dass sie anders
aussieht als in meinen Erinnerungen. Weniger verletzlich. Älter. Eigentlich bin
ich mir nicht mehr sicher, ob ich diese neue, fremde Frau überhaupt kenne.
»Dir liegt das wirklich am Herzen, nicht wahr?«, frage ich.
»Ja«, sagt sie. »Aber das ist eine Haltung, die dir sicherlich
vollkommen fremd ist. Etwas für andere Menschen tun zu wollen.«
»Es tut mir leid«, sage ich. »Es ist auch für mich eine … verwirrende
Phase. Ich habe eine sehr lange Zeit an einem sehr hässlichen Ort verbracht.«
Raymondes Blick ist kühl. »Ausreden zu finden war schon immer eine
Stärke von dir. Und du brauchst dich nicht zu entschuldigen, das wird dir
nichts nützen. Falls es noch nicht ganz deutlich geworden ist: Es gibt nur sehr
wenige Leute im Universum, die ich abstoßender finde als dich. An deiner Stelle
würde ich also wie besprochen losziehen und diese Leute suchen. Vielleicht
schneidest du dann wenigstens im Vergleich vorteilhaft ab.«
Sie verstummt. »Dein Hotel liegt in dieser Richtung. Ich muss jetzt
noch eine Musikstunde halten.« Sie lächelt Mieli zu. »Wir sprechen uns bald
wieder.«
Ich mache den Mund auf, aber etwas sagt mir, dass es klüger ist, es
für diesmal dabei bewenden zu lassen.
Am Nachmittag setze ich mich hin und schmiede Pläne.
Mieli ist damit beschäftigt, unsere Suite in eine kleine Festung zu
verwandeln – alle Fenster werden jetzt von Quantenpunkten bewacht – und die
letzten Schäden von der Balgerei mit Raymonde zu regenerieren. So kann ich
wieder einmal halbwegs in Einsamkeit schwelgen – bis auf die Biot-Verbindung,
die immer in meinem Bewusstsein ist. Ich verziehe mich mit einem Stapel
Zeitungen, Kaffee und Croissants auf den Balkon, setze meine Sonnenbrille auf,
lehne mich zurück und nehme mir die Klatschspalten vor.
An handwerklichem Können fehlt es nicht – das ist hier überall so –,
und die überzogenen Reality-Dramen sind sehr unterhaltsam. Über die Zaddikkim
wird viel berichtet, in welchem Ton, hängt von der jeweiligen Zeitung ab; in
einigen werden sie geradezu verehrt. Ich stolpere über eine Geschichte, bei der
ein Junge zusammen mit dem Gentleman an einem Fall von Gogol-Piraterie
gearbeitet hat, und frage mich, ob das der Detektiv ist, den der Basilisk erwähnte.
Oder war es der Futurist? Man kommt schon ganz durcheinander …
Den breitesten Raum nimmt jedoch die Liste bevorstehender
Carpe-Diem-Partys ein; natürlich sind sie eigentlich geheim, aber die
Journalisten geben sich bewundernswert viel Mühe, möglichst viel darüber in
Erfahrung zu bringen.
Das sieht so aus, als macht es viel zu viel Spaß,
um es Arbeit zu nennen , meldet sich Perhonen .
»Von wegen, es ist sogar ungemein wichtig. Ich brüte nämlich einen
Plan aus.«
Wie wär’s, wenn du ihn mir erläutern würdest?
»Was, du bist nicht bloß ein hübsches Gesicht?«
Ich schaue zum klaren Himmel auf. Die Kom-Verbindung zeigt mir das
Schiff als kleinen Punkt, mit bloßem Auge nicht zu erkennen, irgendwo über dem
Horizont. Ich werfe ihm eine Kusshand zu.
Mit Schmeicheleien kommst du bei mir nicht
weiter.
»Ich erläutere meine Pläne niemals, bevor sie aus dem Ei geschlüpft
sind. Es ist ein kreativer Prozess. Um nochmals diesen Chesterton zu zitieren:
Der Verbrecher ist ein Künstler; Detektive sind nur Kritiker.«
Wie ich sehe, sind wir heute bester Stimmung.
»Weißt du, ich fühle mich allmählich wieder wie ich selbst. Ein
Kampf gegen eine Horde planetarer bewusstseinskontrollierender Superhirne Seite
an Seite mit einer Gruppe von maskierten Vigilanten – das ist das
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