Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
Vom Netzwerk:
Mieli.
    Soll das heißen, wir ziehen den Schwanz ein und
laufen davon? Was bist du denn für ein Krieger? Wenn es hart auf hart gehen
sollte, verlasse ich mich auf dich, einverstanden? Du überlässt mir die
Entscheidung. Das ist mein Beruf. Beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten
verschwinden wir.
    Mieli zögert. Schön. Aber ich behalte dich im
Auge , sagt sie endlich.
    Das weiß ich doch.
    Raymonde dankt Sofia für ihre Bemühungen, und wir verabschieden uns
und begeben uns zu einem kleinen Pavillon nahe der Lichtung, wo eine Gruppe von
Akrobaten mit Grazilelefanten – sie halten brennende Fackeln in ihren Rüsseln
und malen damit komplizierte Muster in die Luft – und mit einem Schwarm von
grellbunten abgerichteten Megapapageien auftritt.
    »Ich wusste doch gleich, dass das keine gute Idee war«, mault
Raymonde. »Wir werden nicht an Unruh herankommen. Und – was will er eigentlich hier?« Sie schaut zur anderen Seite der
Lichtung hinüber, wo ein junger Mann mit dem geistesabwesenden Blick eines
Tagträumers durch die Menge schlendert. Er ist groß und schlaksig, sein Haar
ist zerzaust, und er trägt ein schlecht sitzendes Kostüm in Schwarz und Silber.
    »Ist das der Detektiv?«
    »Isidore Beautrelet, richtig.«
    »Interessant. Er steht Unruh offenbar sehr nahe.«
    Raymonde wirft mir einen eisigen Blick zu. »Zieh ihn bloß nicht mit
rein.«
    »Wieso denn nicht?« Ich spüre die Werkzeuge der Gogol-Piraten in
meinem Bewusstsein. Die Software für den Identitätsdiebstahl habe ich noch
nicht ausprobiert, aber sie ist da und wartet auf ihren Einsatz. »Du kennst
ihn, nicht wahr? Könntest du mir irgendeinen Zugriff auf sein Gevulot
überlassen?«
    Sie holt tief Luft.
    »Nun komm schon, spiel hier nicht den Tugendbold«, mahne ich. »Wir
wollen ein Verbrechen begehen. Dazu müssen wir alles einsetzen, was wir haben.«
    »Ich habe viel von seinem Gevulot«, gesteht sie. »Na und?«
    »Ach so? Ist er ein früherer Liebhaber von dir? Noch einer, dem du
das Herz gestohlen hast?«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Hilf mir einfach. Gib mir sein Gevulot, dann können wir tun, wozu
wir gekommen sind.«
    »Nein.«
    Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Na schön. Dann gehen wir
eben nach Hause und lassen die unsichtbaren Puppenspieler auch weiterhin eure
Fäden ziehen. Ihre Fäden. Seine Fäden.« Ich zeige auf den Detektiv und die
anderen Gäste. »Genau das hatte ich gemeint. Wenn man gewinnen will, muss man
Kompromisse schließen.«
    Sie wendet sich ab. Ihr Gesicht ist hart geworden. Ich fasse nach
ihrer Hand, aber sie öffnet die Finger nicht. »Sieh mich an. Lass es mich
machen. Dann brauchst du es nicht zu tun.«
    »Zur Hölle mit dir.« Sie packt mich am Handgelenk. »Aber wenn alles
vorüber ist, bekomme ich zurück, was ich dir gebe. Das musst du mir schwören.«
    »Ich schwöre.«
    »Ich schwöre dir auch etwas«, fährt sie fort. »Wenn du ihm Schaden
zufügst, wirst du dir wünschen, du wärst in deinem Gefängnis geblieben.«
    Dann sehe ich mir den jungen Mann an. Er lehnt mit halb
geschlossenen Augen an einem Baum, fast so, als wäre er eingeschlafen.
    »Raymonde, ich habe nicht vor, ihm Schaden zuzufügen. Vielleicht
kriegt sein Ego eine Kleinigkeit ab. Aber das kann ihm nur guttun.«
    »Anderen Gutes zu tun war noch nie deine Stärke«, kontert sie.
    Ich breite resigniert die Arme aus, verneige mich kurz und steuere
auf den Detektiv zu.
    Isidore ist wach, er schlendert umher, beobachtet und zieht
seine Schlüsse; es ist nicht schwer, unter dem Fluss des Gevulot
gesellschaftliche Muster zu erkennen. Hier fischt der Komponist der Musik, die die
Schweiger am späteren Abend spielen werden, nach Komplimenten; dort versucht
ein Wiedererweckungsaktivist, von Unruh eine Spende für seine Sache zu
ergattern. Isidore versucht, mehr zu erfühlen, als zu
sehen, streicht mit einer mentalen Fingerspitze über seine Umgebung, liest eine
Brailleschrift der Realität, die für ihn immer da gewesen ist, sucht nach
Dingen, die nicht hierher gehören.
    »Guten Abend.«
    Isidore wird aus seiner Konzentration gerissen und schaut auf. Ein
dunkelhäutiger Mann mit weißer Krawatte steht vor ihm. Sein Alter ist schwer zu
bestimmen, er ist ein wenig kleiner als Isidore. Seine Weste ist über und über
mit blitzenden UHR -Kopien behängt – zu auffällig,
findet Isidore –, und obwohl die Leuchtkäfer nur mattes Licht spenden, trägt er
eine blau getönte Brille. An seinem Revers steckt eine knallrote Blume. Der
leise

Weitere Kostenlose Bücher