Quantum
spielt
einfach weiter, die Gespräche setzen wieder ein. Natürlich gibt es nur ein
einziges Thema.
Hinter Isidores Schläfen hämmert es. Zusammen mit den
Wach-Schweigern und Odette sucht er immer und immer wieder das Gelände und den
Exospeicher des Gartens ab. Aber von le Flambeur gibt es keine Spur. Die
Enttäuschung und das Gefühl, versagt zu haben, liegen ihm bleischwer im Magen.
Erst kurz vor Mitternacht kehrt er endlich auf das Fest zurück.
Unruh hat sein Gevulot für alle geöffnet. Er steht im Mittelpunkt
der Aufmerksamkeit und genießt es. Man beglückwünscht ihn, dass er dem Dieb so
tapfer gegenübergetreten ist. Doch irgendwann winkt er ab. »Meine Freunde, es
ist so weit, ich muss euch verlassen«, sagt er. »Ich danke euch, dass ihr die
ungeplante Programmänderung so geduldig ertragen habt.« Gelächter. »Aber
zumindest – und das haben wir dem Mut unseres hochgeschätzten M. Beautrelet zu
verdanken – ist der Dieb mit leeren Händen abgezogen.
Eigentlich hatte ich die Absicht, das Folgende in einem Bett
zwischen diesen reizenden Damen hier zu erleben«, sagt er und drückt zwei
Kurtisanen aus der Schlangenstraße an sich, »und mich dabei eventuell von einem
Elefanten erdrücken zu lassen.« Er hebt sein Glas und grüßt den
Grazil-Dickhäuter, der hinter der Menge aufragt. »Aber vielleicht ist es doch
besser, hier inmitten meiner Freunde zu bleiben. Die Zeit ist das, was wir aus
ihr machen; sie ist relativ und absolut, endlich und unendlich. Ich wünsche
mir, dass dieser Augenblick niemals enden möge, damit ich mich, wenn ich eure Kanalisation reinige, euch vor
den Phoboi beschütze oder eure Stadt auf meinem
Rücken trage – erinnern kann, wie es ist, solche Freunde zu haben.
Und nun, ein Drink in der Hand, ein Kuss« – Unruh küsst die beiden
Mädchen – »oder zwei« – Gelächter –, »und da ist der Tod. Auf ein Wiedersehen
in ei…«
Er lässt sein Glas fallen und stürzt zu Boden.
Isidore starrt auf die reglose Gestalt des Millenars, dann zwinkert
er und schaut auf seine UHR . Sie zeigt eine
Minute vor Mitternacht. Wie kann das sein? Er hatte alles so
sorgfältig geplant, bis zum letzten Wort. Doch seine Gedanken gehen
unter im lauten Jubel und im Knallen der Champagnerkorken.
Als die Wiedererwecker kommen, um den Leichnam fortzutragen, und der
Teil der Festlichkeiten beginnt, der als Totenwache gedacht ist, setzt sich
Isidore mit einem Glas Wein in eine Ecke und fängt an, gewisse
Schlussfolgerungen zu ziehen.
0 Intermezzo:
Wahrheit
In der Nacht des Spike fliegen Marcel und Eulenjunge in
einem Gleiter über das Noctis Labyrinthus.
Die Idee stammt natürlich von Eulenjunge. Jedermann weiß, dass in
den Schluchten des Labyrinthus Unmengen von Phoboi und tückischen Thermiken ihr
Unwesen treiben. Eigentlich kann sich Marcel auch die ZEIT für den Gleiter nicht leisten, aber gegen seinen Liebhaber kommt er nicht an.
»Du bist ein alter Mann geworden«, sagt der. »Wenn du nicht hin und
wieder mit dem Tod spielst, wirst du nie ein Künstler.« Die kleine Gehässigkeit
tut weh. Er hatte so lange an dem Konzept gearbeitet, nur um mit ansehen zu
müssen, wie ein anderer es realisiert, und das kann er nicht vergessen. So
schwebt er nun am Himmel, schaut hinunter auf die dunklen Gräben und hinauf in
den nächtlichen Himmel und genießt es trotz allem.
Über dem Ius Chasma lässt Eulenjunge den Gleiter unvermittelt
absacken, bis sie fast die schwarzen Pseudobäume streifen, die dort wachsen,
und zieht dann steil nach oben. Sie fliegen ganz dicht an den Rand des Canyons,
und Marcel fällt der Magen bis in die Zehen hinunter. Als Eulenjunge sein
Gesicht sieht, brüllt er vor Lachen.
»Du bist verrückt«, sagt Marcel und küsst ihn.
»Ich dachte schon, du tust es nie mehr.« Eulenjunge lächelt.
»Das hat Spaß gemacht«, sagt Marcel. »Aber könnten wir nicht höher
fliegen und eine Weile nur den Himmel betrachten?«
»Für dich tue ich doch alles, Geliebter. Außerdem haben wir für
Kunstflugnummern noch die ganze Nacht Zeit.«
Er zwinkert Marcel zu, doch der ignoriert es, kippt seinen Sitz nach
hinten, schaut in den Himmel und blinkert Sternbilder und Planeten herbei.
»Ich überlege schon die ganze Zeit, ob ich nicht weggehen soll«,
sagt Marcel.
»Weggehen?«, fragt Eulenjunge. »Und wohin?«
Marcel macht eine Handbewegung. »Du weißt schon. Hinauf. Da hinaus.«
Er drückt die flache Hand an die glatte, durchsichtige Haut des Gleiters.
Zwischen seinen
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