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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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Mieli. Könntest du noch andere Sinne zuschalten?
    Ich will nicht, dass sie etwas merken. Außerdem
sollst du deine Rolle richtig spielen.
    Es ist ein seltsames Gefühl, durch die Tunnel in die Unterwelt
getragen zu werden, dem Echo der Schritte in der Stadt unter der Stadt zu
lauschen und den eigentümlichen Tanggeruch der Schweiger in der Nase zu haben.
Das Schaukeln lullt mich ein und stürzt mich in tiefe Schwermut. Ich bin in all
meinen Jahrhunderten noch nie gestorben. Vielleicht hat die Oubliette ja die
Lösung gefunden, vielleicht hat sie die richtige Methode, mit der
Unsterblichkeit umzugehen. Wenn man dann und wann einmal stirbt, weiß man das
Leben mehr zu schätzen.
    Macht es immer noch Spaß? , will Perhonen wissen.
    Ja, verdammt.
    Das finde ich beunruhigend. Höchste Zeit, dass du
aufwachst.
    Ich bin zum zweiten Mal von den Toten auferstanden, aber ohne
Übergangsträume. Meine Augen fühlen sich an wie unter einer Staubschicht. Ich
schwebe in feuchtkaltem Gel in einem kleinen Raum. Es dauert nur einen Moment,
das kleine Q - Stein-Werkzeug auszuwürgen, das ich
mitgebracht habe, und die Sargtür zu öffnen. Sie ist nicht mit Gevulot
versiegelt, sondern nur mit einem mechanischen Schloss: Es ist erstaunlich, wie
traditionell die Wiedererwecker denken. Die Tür gleitet beiseite, und ich
krieche hinaus.
    Fast wäre ich abgestürzt! Ich befinde mich hoch oben an der
Innenseite eines riesigen Metallzylinders, dessen Wände mit einem Gitter von kleinen
Luken überzogen sind. Ich fühle mich an einen Aktenschrank erinnert. Durch den
Zylinder laufen senkrechte Kabel, an denen ganz unten ein Schweiger hängt – ein
Oktopus aus Maschinen und Armen. Er lagert frische Leichen ein. Ich schließe
die Luke bis auf einen kleinen Spalt, durch den ich hinausspähen kann, und
warte darauf, dass der Schweiger verschwindet. Da schießt er auch schon von
unten herauf und an mir vorbei; er klettert an den Kabeln hoch wie eine Spinne.
Ich wage mich wieder hinaus. Gel tropft mir vom Körper. Ich suche nach
Handgriffen.
    Schön, sagt Perhonen . Ich bekomme jetzt die ersten Bilder. Unten gibt es
Wartungsschächte: Da kannst du Mieli einschleusen.
    Ich konfiguriere die Quantenpunkt-Schicht unter meiner Haut so um,
dass ich mich wie eine Spinne an das Wandmaterial heften kann, und klettere an
den Särgen der schlafenden Toten hinab.
    Ein ständiges Hintergrundgeräusch begleitet mich, eine Mischung aus
Zischlauten, Gepolter und Schlägen in unterschiedlicher Entfernung. Es kommt
von den Organen der Stadt, den Kolben und Motoren, den Rohren, in denen die
Biosynth-Reparaturorganismen zirkulieren, und von den mächtigen künstlichen
Muskeln, die die Beine der Stadt bewegen.
    Im Inneren des Zylinders schlängeln sich Bündel von transparenten
Rohren durch mehrere Schächte nach unten. In den Schächten befinden sich
Sprossen, die wohl für kleinere Schweiger bestimmt sind. Die Schächte sind
gerade so groß, dass ich mich hineinzwängen kann. Perhonen liefert mir Geisterbilder, die sie aus meinem WIMP-Signal extrahiert: ich bin
umgeben von einer chaotischen Anatomie von Kammern, Tunneln und Maschinen.
    Ich klettere mehr als fünfzig Meter weit hinab, schürfe mir an den
Rohren und den Schachtwänden die Haut auf und halte inne, sooft ich einen
Schweiger höre. Einmal huscht ein Schwarm von käfergroßen Maschinen vorbei, sie
klettern über mich hinweg, ohne mich zu beachten, ihre winzigen Augen leuchten
durch die Dunkelheit, und ich muss mich sehr beherrschen, um nicht
loszuschreien.
    Endlich öffnet sich ein horizontaler Tunnel; er besteht aus
keramischem Material und ist mit einer bitter riechenden glitschigen
Flüssigkeit ausgekleidet, die von den porösen Wänden tropft. Es ist vollkommen
dunkel, und ich schalte auf Infrarot und versuche, die Geisterwelt der Riesen am
Rande meines Blickfelds auszuschließen und mich auf das Ziel zu konzentrieren.
    Nachdem ich eine schwarze Ewigkeit lang gekrochen bin, weitet sich
der Tunnel und wird abschüssig: Ich habe Mühe, nicht wegzurutschen. Endlich
sehe ich Licht, ein dämmriges Orange in der Ferne, und spüre einen eisig kalten
Wind. Im matten Schein kann ich erkennen, dass der Tunnel in einen breiteren,
schräg nach unten führenden Schacht übergeht und schließlich an einem feinen
Maschengewebe endet, durch welches das Licht von draußen einfällt.
    Richte Mieli aus, dass ich bereit bin, melde
ich Perhonen .
    Sie folgt deinem Signal. Müsste jeden Moment da
sein.
    Um so weit zu kommen,

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