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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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schickt
Sernine mit einer Handbewegung einen Gevulot-Kontrakt. »Es gehört alles dir. Du
hast gewonnen.«
    »Danke«, sagt Sernine leise. Dann steht er ganz still und lauscht
auf die Laute, die Eulenjunge von sich gibt. Endlich räuspert er sich. »Wenn
wir uns einigen«, sagt er langsam, »dürfte ich dann von Zeit zu Zeit zu Besuch
kommen?«
    »Wenn du willst«, sagt Marcel. »Mir ist das ziemlich egal.«
    Sie besiegeln den Vertrag mit einem Handschlag. Höflichkeitshalber
bietet Marcel Cognac an, aber sie trinken schweigend, und als die Gläser leer
sind, verabschiedet sich Sernine.
    Eulenjunge ist ruhiger, nachdem ihn Marcel gefüttert hat. Danach
sitzt Marcel lange bei ihm und lässt das Haus Ares-Nova-Musik spielen. Doch als
die Sterne aufgehen, zieht er die Vorhänge zu.

13   Der Dieb in der Unterwelt
    Meinen Tod inszenieren wir am nächsten Morgen auf dem
Platz der Verlorenen ZEIT . Hierher kommen die ZEIT -Bettler für ihren letzten Atemzug. Es ist eine
Agora mit dunklen Bronzestatuen, Gerippen, die den Tod darstellen und das
Leiden. Und es ist eine Bühne, auf der sich die Künstler ein paar kostbare
Sekunden erspielen können.
    » ZEIT , ZEIT ,
meine ZEIT läuft ab«, rufe ich einem
vorübergehenden Paar zu und schüttle eine Rassel aus Fabber-gedruckten Knochen.
Hinter mir vollziehen zwei Bettler im Schatten der Statuen einen verzweifelten
Liebesakt. Eine Gruppe von nackten morituri mit
geschminkten Gesichtern führt einen wilden Tanz auf, fahle Körper, die sich
unter heftigen Zuckungen im Kreis drehen.
    Ich habe mich heiser geschrien. Touristen von anderen Welten machen
den Großteil unseres Publikums aus. Ein verwirrt aussehender Ganymedianer in
einem gertenschlanken Exoskelett wirft uns unentwegt kleine ZEIT -Splitter zu, als wollte er Tauben füttern. Er
scheint nicht zu begreifen, worum es geht.
    Nicht übertreiben , höre ich Mielis
mahnende Stimme in meinem Kopf. Sie steht als Beobachterin in der Menge und
sieht sich den Totentanz an.
    Es muss glaubwürdig sein , versetze ich.
    Das bist du doch auch. Sag, wenn du bereit bist.
    Alles klar. Los.
    »Die Zeit ist der große Zerstörer«, schreie ich. »Und wäre ich auch
Thor, der Gott des Donners, das ALTER würde mich
dennoch zu Boden werfen.« Ich verneige mich. »Meine Damen und Herren, Sie sehen
– den Tod!«
    Mieli schaltet mich per Fernsteuerung ab. Meine Beine geben nach.
Meine Lungen hören auf zu arbeiten, und ich habe das schreckliche Gefühl zu
ertrinken. Absurderweise bleibt die Welt so knackig und scharf wie immer. Im
Innern des Sobornost-Körpers arbeitet mein Bewusstsein weiter, aber im
Tarnmodus, obwohl der Rest des Körpers seinen Dienst einstellt. Mein Blickfeld
kippt, und ich falle zu Boden, ein Teil der Totentanz-Choreographie, die ich in
den letzten zwei Tagen mit den anderen Todeskandidaten geprobt habe. Unsere
zusammengesunkenen Körper bilden auf dem Platz die Worte: MEMENTO MORI.
    Die Zuschauer brechen in Jubel aus, ein heiseres Grölen, gemischt
aus Schuldbewusstsein und Faszination. Dann tritt Stille ein. Der Platz hallt
wider von den Tritten einer nahenden Marschkolonne. Die Wiedererwecker kommen.
    Die Menge teilt sich und macht ihnen Platz. Im Lauf der Jahre hat
sich das Ganze zu einem Ritual entwickelt, und damit haben sich sogar die
Wiedererwecker abgefunden. Sie kommen in Dreierreihen in ihren roten Roben
anmarschiert, es mögen an die dreißig sein, ihre Gesichter und ihre
Körperhaltung sind hinter besonders dichtem Gevulot verborgen, an ihren Gürteln
hängen die Dekanter. Eine Gruppe von Schweigern folgt ihnen. Sie sind entfernt
humanoid, aber riesig, drei oder vier Meter groß. Anstelle von Gesichtern haben
sie einen schwarz glänzenden Panzer, und aus ihrem Rumpf wächst ein ganzes
Büschel von Armen. Ich spüre, wie der Boden unter ihren Schritten erzittert.
    Eine rot vermummte Gestalt beugt sich über mich und hält einen
Dekanter über meine gehackte UHR . Für einen
Moment erfasst mich blinde Panik: diese Sensenmänner kennen doch sicherlich
schon alle Versuche, den Tod zu betrügen, die man sich denken kann. Aber der
Messingapparat gibt schwirrende Geräusche von sich und klingelt dann einmal.
Der Wiedererwecker beugt sich über mich und drückt mir mit den Fingerspitzen
sachte die Augen zu, eine rasche, professionelle Geste. Ein Schweiger hebt mich
auf, und der langsame Trommelschlag der Tritte setzt wieder ein. Ich werde in
die Unterwelt getragen.
    Ich kann nichts sehen , beschwere ich mich
bei

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