Quantum

war jede Menge Planung erforderlich. Rings um
den Fuß der Stadt herum ist das Gevulot unglaublich dick, denn die Oubliette
möchte es den Gogol-Piraten auf keinen Fall zu leicht machen. Deshalb konnte
man nur von innen nach einem Weg suchen, ins Innere zu gelangen.
    Ich nehme den Q -Stein wieder heraus
und schneide ein Loch in das Maschengewebe. Das Werkzeug frisst sich mühelos
durch das Material. Ich schaue nach unten und kämpfe für einen Moment mit
meiner Höhenangst. Dann spüre ich eine heiße Bö, und schon schwebt Mieli mit
ausgebreiteten Flügeln unter der Öffnung.
    »Wo bleibst du denn so lange?«, frage ich.
    Sie sieht mich missbilligend an.
    »Ich weiß, ich weiß«, sage ich. »Wenn man von den Toten aufersteht,
sollte man sich etwas anziehen.
    Mieli führt uns durch die Tunnel. Das Signal der Q -Spinne sagt uns, wo Unruhs Leichnam liegt. Ich bin
froh um ihre Begleitung, denn ich sehe die Stollen und Korridore nur
verschwommen. Ein paarmal tarnt sie uns mit einem Nebel, wenn uns größere
Schweiger laut keuchend und polternd entgegenkommen und einen Schwall
Meeresduft mitbringen.
    Dann sind wir in der Krypta mit ihren Kammern, zylindrischen Räumen
von hundert Metern Durchmesser, chromblitzend und klinisch rein, ganz anders
als die dunklen Tunnel. In die Sargluken sind Namen und Codes eingraviert.
Unruh finden wir im dritten Sarg.
    Als ich ihn betrete, höre ich von oben ein Zischen: Der achtbeinige
Schweiger-Bestatter hat uns entdeckt und lässt sich rasend schnell an den
Kabeln herunter.
    Mieli schiebt mich beiseite und schießt mit ihrer Geisterwaffe auf
ihn. Es knirscht, er hält wenige Meter über mir an und schaukelt wie eine
Marionette an den Kabeln hin und her. Ich schaue in sein Ungesicht mit der
großen Kinnlade und schlucke.
    »Keine Angst«, beruhigt mich Mieli. »Mein Gogol hat eben seine
motorischen Funktionen übernommen. Dem Bewusstsein wird nichts geschehen. Wir
wollen schließlich nicht gegen dein Berufsethos verstoßen.«
    »Das ist nicht meine größte Sorge«, sage ich. Mieli hat mir einen
Overall aus Nanogewebe mitgebracht, aber mir ist immer noch kalt. Auf eine
Geste von ihr klettert der Schweiger folgsam hinauf und holt Unruhs Leichnam.
Wenig später steht der Sarg vor uns auf dem Boden. Ich öffne ihn mit dem
Q-Stein.
    »Wie ich bereits zu Raymonde sagte«, bemerke ich, »nehmen wir von
den Reichen und geben den Armen.«
    Der frühere Millenar ist bleich, weiß und bis auf die schwarze
Scheibe seiner UHR nackt. Los
jetzt, sage ich zu Perhonen . Ihr
Teilchenstrahl streicht in meinem aufgerüsteten Blickfeld als weißer
Lichtfinger über die UHR und quantenteleportiert
die Minute zurück, die wir gestohlen haben. Das aufgerüstete Blickfeld
zerspringt in weißes Rauschen, als das lokale Wiedererweckungssystem seine
Arbeit aufnimmt und die letzte synchronisierte Version von Unruhs Bewusstsein
aus dem Exospeicher in seinen Körper zurückbefördert.
    Ein Zittern durchläuft Unruhs Leichnam. Ein tiefer, feuchter,
rasselnder Atemzug. Er hustet, und seine Augen fliegen auf.
    »Was … wo …«
    »Bedaure, M. Unruh, aber es dauert nur einen Moment.« Mieli reicht
mir den Uploadhelm, eine glatte schwarze Kappe. Ich setze sie ihm auf, und sie
schmiegt sich sofort an seinen Schädel.
    Unruh lacht, wird aber von einem Hustenanfall unterbrochen. »Sie
schon wieder?« Er schüttelt den Kopf. »Ich bin enttäuscht. Ich hätte nicht
gedacht, dass Sie nur ein gewöhnlicher Gogol-Pirat sind.«
    Ich lächle. »Ich versichere Ihnen, ich habe keinen einzigen Splitter
Ihres Gevulot, und ich habe Ihnen alles zurückgegeben, was ich gestohlen habe.
Jetzt geht es um etwas anderes. Halten Sie still.«
    Es war das Nächstliegende. Wie findet man heraus, ob zwielichtige
Mächte das Bewusstsein von Menschen manipulieren? Man sucht sich eine saubere
Vorlage und macht einen Vorher/Nachher-Vergleich. Unruh war noch jung, er hatte
keine Wiedererweckungen und keine Schweigerzeiten hinter sich: Sein Bewusstsein
war nie zuvor als Ganzes durch das Wiedererweckungssystem gegangen. Jetzt ist
das geschehen, und wenn jemand etwas damit angestellt hat, werden wir es
herausfinden. Wenn nicht – nun, ich habe schon schlechtere Partys mitgemacht.
    »Wenn es sein muss.« Unruh seufzt. »Ich verstehe. Sie haben eine
Minute meiner ZEIT gestohlen und sie wieder
zurückgegeben? Um hier auf mein Bewusstsein zugreifen zu können? Interessant.
Ich kann mir nur nicht vorstellen, warum Sie das tun. Das ist ein sehr
seltsames