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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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zerstört, und feuert auf die Flanke
des Atlas-Schweigers. Wände und Fußboden zittern stärker. Ein Krampf durchläuft
die Schweiger-Wand. Die Schuppen brechen. Mit einem ohrenbetäubenden Knall
reißt der Raum in der Mitte auseinander. Tageslicht schießt durch den
klaffenden Spalt. Mieli schnappt sich den Dieb und springt.
    Sie stürzen durch die Wunde im Körper der Stadt. Biosynth-Lösungen
regnen wie Blut auf sie nieder. Und dann sind sie draußen, mitten im Wald der
Stadt-Beine, und blinzeln ins helle Tageslicht.
    Mieli breitet ihre Flügel aus, um den Sturz zu bremsen, hüllt sich
und den Dieb in Gevulot und tritt den Flug zurück in die Stadt der Lebenden an.
    Ich bin in Hochstimmung, als wir ins Hotel zurückkehren.
    Unter meinem Gevulot starre ich vor Schmutz, außerdem bin ich nach
einem weiteren Flug mit Mieli-Antrieb noch etwas unsicher auf den Beinen, aber
ich bin glücklich. Ein Teil von mir grübelt darüber nach, wer sich wohl Unruhs
bemächtigt haben mag. Aber dieser Teil wird überstimmt von der Mehrheit, die
ein Fest einfordert.
    »Komm«, sage ich zu Mieli. »Das müssen wir feiern. Schon aus
Tradition. Außerdem wirst du hiermit zum Ehrendieb ernannt. Das ist nebenbei
bemerkt die Phase, in der man üblicherweise geschnappt wird; weil man sich um
die Beute streitet oder die Flucht vermasselt. Aber wir haben es geschafft. Ich
kann es noch gar nicht fassen.«
    Mir schwirrt der Kopf. In den letzten Stunden war ich ein Emigrant
aus dem Gürtel, ein Detektiv, ein ZEIT -Bettler
und ein Leichnam. So muss ich mich früher schon gefühlt
haben. Ich bin so aufgeregt, dass ich nicht still sitzen kann.
    »Du warst großartig. Eine richtige Amazone.« Ich fasle dummes Zeug,
aber das ist mir egal. »Weißt du, wenn alles vorüber ist, komme ich vielleicht
zurück und lasse mich hier nieder. Suche mir eine einfache Beschäftigung. Rosen
züchten. Mädchenherzen stehlen und hin und wieder auch andere Dinge.«
    Ich bestelle virtuell angebauten Monarchie-Wein, das teuerste
Getränk, das der Hotel-Fabber herstellen kann, und reiche Mieli ein Glas. »Auch
du, Schiff! Deine Quantenmagie war großartig.«
    Ich komme mir fast schon vor wie der verrückte
Wissenschaftler, der mit dem größten Vergnügen alles in die Luft jagt, säuselt Perhonen .
    Ich muss lachen. »Sie kennt sich in der Pop-Kultur aus! Ich liebe
sie!«
    Übrigens finden sich in den Daten hochinteressante
Dinge.
    »Später! Heb sie dir für später auf. Wir müssen uns jetzt
betrinken.«
    Mieli sieht mich sonderbar an. Wieder wünsche ich mir, sie auslesen
zu können, aber die Biot-Verbindung ist nur nach einer Richtung durchlässig. Zu
meiner Überraschung nimmt sie jedoch das Glas, das ich ihr reiche.
    »Ist es für dich jedes Mal so?«, fragt sie.
    »Meine Liebe, das war noch gar nichts. Nur Glitzerfünkchen. Warte
mal ab, bis wir über mehrere Monate einen Einbruch in ein Gubernja -Gehirn
planen. Das wäre ein echtes Feuerwerk. Aber ich bin wie ein Verdurstender in
der Wüste. Das Zeug hier schmeckt mir.« Ich stoße mit ihr an. »Auf das
Verbrechen!«
    Die Begeisterung des Diebs ist ansteckend. Auch Mieli trinkt
sich in einen Glücksrausch. Sie hat schon öfter Operationen durchgeführt, die
umfangreiche Vorarbeiten und viel Planung erforderten – zum Beispiel die
Befreiung des Diebs aus dem Gefängnis –, aber das Kribbeln des Verbotenen, das
von dem Dieb ausgeht, ist ihr neu. Und er hat seine Rolle so gut gespielt wie ein
Koto-Bruder, ohne jede Spur von Auflehnung. Er war wie ein neuer Mensch, ganz
und gar in seinem Element.
    »Ich verstehe es immer noch nicht«, sagt sie, lässt sich auf die
Couch sinken und schwimmt auf seiner überschäumenden Freude mit. »Warum macht
es so viel Spaß?«
    »Es ist ein Spiel. Habt ihr in Oort keine Spiele?«
    »Es gibt Wettläufe. Und Wettbewerbe im Kunsthandwerk und im Väki -Gesang.« Plötzlich überfällt sie das Heimweh. »Früher
habe ich gerne Dinge aus den Korallen gemacht. Man stellt sich einen Gegenstand
vor. Man findet die Worte für das, was er ist. Und
dann singt man sie dem Väki vor; dabei entsteht und
wächst der Gegenstand. Und am Ende hat man etwas, das wirklich einem selbst
gehört, etwas, das neu ist in der Welt.« Sie wendet den Blick ab. »So habe ich Perhonen geschaffen. Aber das ist lange her.«
    »Siehst du«, sagt der Dieb, »genau die gleiche Bedeutung hat für
mich das Stehlen.« Er ist jetzt ganz ernst geworden.
    »Warum bist du überhaupt hier?«, fragt er. »Warum bleibst

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