Quarantäne
vielleicht sogar einen halbautonomen >Roboter<, der an den richtigen Stellen der Filmvorführung während des Flugs lachte und weinte.
Ein Ausreisevisum in der Datenbank der Grenzpolizei zu fälschen ist ein Kinderspiel. Ein oder zwei Stunden später würde es sich in Luft auflösen, und auch die Passagierliste der Fluggesellschaft würde entsprechend korrigiert werden. Grenzbehörden, Zoll und Fluggesellschaften werden Tag für Tag, von Hunderten von Hackern aufs Kreuz gelegt. Und ironischerweise ist es genau das, was einen mit etwas Glück auf die Spur einer illegalen Passage bringen kann. Hacker können vielleicht den veralteten Sicherungen eines staatlichen Computersystems auf der Nase herumtanzen, doch können sie es nicht, ohne dabei Spuren für die anderen Hacker zu hinterlassen. Und wer Daten für eigene Zwecke sucht, stößt fast immer auf Hinweise anderer illegaler Aktivitäten. Und diese Informationen werden, wie alles andere Material auch, auf dem Markt angeboten.
Bella fungiert, wenn sie nicht Daten aus ihrem eigenen Fundus verkauft, als mein Makler an der Informationsbörse. Ich rufe sie an, und sie überschüttet mich mit einem weiteren Berg von Daten. Ob man mit der Unmasse von Rohdaten etwas anfangen kann, ist Glückssache; je mehr man kauft; desto größer ist die Trefferquote – doch kann es keine Erfolgsgarantie geben, wenn man ein (hypothetisches) Ereignis auf einem unbekannten Flughafen zu einem unbekannten Zeitpunkt irgendwann in den letzten fünf Wochen nachweisen möchte.
Der Nachweis eines gefälschten Visums ist an sich einfach; allein die Tatsache, daß es nachträglich beseitigt werden muß, um eine mögliche Nachprüfung durch die Behörden zu verhindern, bringt es ans Licht: Es genügt, den von Hackern ermittelten Bestand der Datenbank zu verschiedenen Zeitpunkten zu vergleichen. Schwieriger ist es, Laura unter den mehr als hundert falschen Visen pro Woche im ganzen Land aufzuspüren. Vom Hilgemann habe ich ihre DNA-Signatur, Fingerabdrücke, Irismuster und Skelettdaten. Um die DNA kümmert sich die Grenzpolizei nicht. Unterschiedliche Gesetze und kulturelle Schranken behindern die Massenuntersuchung von Reisenden, aber die übrigen Merkmale werden immer überprüft; gibt es hier Widersprüche, dann gelangt man gar nicht erst an Bord der Maschine. Danach jedoch, so hält man es in Fälscherkreisen, ändert man diese Daten, vor allem, um Leuten wie mir das Leben schwer zu machen. Für die Dauer des Flugs muß das falsche Visum zwar gespeichert bleiben, will man nicht Terroristenalarm auslösen, doch betrifft das nur Namen und Foto – die biologischen Merkmale des Fluggasts werden erst wieder von der Grenzpolizei des Zielflughafens überprüft. Es gibt also zwei kurze Zeitspannen, innerhalb derer die echten biologischen Merkmale eines Menschen in den Computersystemen auftauchen. Theoretisch müßten sie nur einige Millisekunden dauern, doch läßt sich der genaue Zeitpunkt nicht so scharf einstellen, weshalb man den Vorgang über ein paar Minuten ausdehnen muß. Allerdings lassen sich Fingerabdrücke und Irismuster mikrochirurgisch verändern, so daß man sich letztendlich nur noch an die Knochen halten kann – aber auch die kann man modifizieren. Allerdings marschiert niemand geradewegs zum Flugzeug, nachdem man ihm ein >neues< Skelett verpaßt hat. Und bevor man als offensichtlich Schwerkranker an Bord geht, kann man sich auch gleich ein Schild mit der Aufschrift >Illegale Ausreise!< um den Hals hängen.
Ich nehme mir die letzte Serie von Auszügen aus der Datenbank vor; sie erweisen sich im Handumdrehen als ebenso wertlos wie der Rest.
Ich blättere noch einmal durch die Gigabytes von Datenschrott, die ich teuer eingekauft habe; Flug um Flug, von jedem der zehn internationalen Flughäfen des Landes, von den Passagierlisten über die Speisekarten bis zu den… Frachtpapieren. Klar, als Fracht konnten sie Laura nicht aufgegeben haben, das wäre mehr als ungeschickt. Auch die Fracht wird kontrolliert, entweder manuell oder durch Röntgen. Es gibt nur eine Art, einen Menschen zu verfrachten: als Leiche in einem Sarg. Angenommen, es gäbe eine Leiche mit passenden Merkmalen, dann bräuchte man nur noch einige hinlänglich bekannte Pharmaka, die den Stoffwechsel für einige Stunden auf ein Minimum herabsetzen, ohne Schaden für das Gehirn oder andere Organe. Alles kein Problem – die Schwierigkeit liegt woanders: Passagiere mit falscher Identität gibt es häufig genug, um sich
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