Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
Vom Netzwerk:
Krüppel wird. Das heißt, daß ich keinerlei Daten habe, mit denen ich etwas anfangen kann.
    Das stimmt nicht ganz. Fast alle Teile des Knochengerüsts kann man umformen, aber bestimmte Partien des Schädels muß man in Ruhe lassen, weil die Manipulationen zu gefährlich und auch zu augenfällig sind.
    Ich gebe neue Kriterien für die Identität ein, streiche alles bis auf die Schädelknochen. Und ich habe kaum eine Sekunde nach der Eingabe gefunden, was ich suche.
     
    Frachtnummer: 184309547
    Flug: QUANTAS 295
    Abflug: Perth, 23. Dezember 2067,13 Uhr 06
    Inhalt: Sterbliche Überreste (Han, Hsiu-lien)
    Absender: Generalkonsulat Neu-Hongkong
    16 St. George’s Terrace
    Perth 6000-0030016
    Australien
    Adressat: Krematorium Wan Chei
    132 Lee Tung Street
    Wan Chei 1135-0940132
    Neu-Hongkong
     
    Ein Treffer auf der Basis von fünf Schädelmaßen konnte Zufall sein. Erst recht konnte es eine bewußte Irreführung sein. Warum hatten die Entführer die Röntgenbilder nicht gefälscht, um auch diesen letzten Hauch der wirklichen Identität verschwinden zu lassen?
    Ich sehe nach, wann die Daten registriert wurden. Zwölf Uhr dreiundfünfzig. Die Röntgenaufnahmen waren höchstens zwei oder drei Minuten zuvor gemacht worden, man kann sie schlecht ändern, während der Zollbeamte noch auf den Bildschirm starrt. Zehn Minuten später, und auch die letzte Spur von Laura Andrews hätte sich im Nebel verloren.
    Ich schüttle den Kopf, so ganz kann ich es noch immer nicht glauben. So viel Glück habe ich selten.
    Karen beugt sich über meine Schulter. >Das ist doch die Definition von Glück, Dummkopf. Nun mach schon, pack deine Koffer.<
     
    Neu-Hongkong war am ersten Januar 2029 gegründet worden. Achtzehn Monate zuvor, am dreißigsten Jahrestag der Übernahme Hongkongs durch die Volksrepublik China, hatten Demonstrationen wegen der noch immer suspendierten Grundrechte zu massiven Reaktionen der Regierung geführt. Der Schaden war nicht zu reparieren, die Leute liefen in Scharen davon. Alle Nachbarländer boten den Flüchtlingen ihre Hilfe an, zumeist bestand sie aus einem Stück sumpfigen Bodens mit einem Stacheldrahtzaun drumherum und der Aussicht, nun den größten Teil ihres Lebens als Staatenlose in einer Art Schwebezustand zu verbringen. Nur die Stammeskonföderation von Arnhem-Land bot den Flüchtlingen zweitausend Quadratkilometer Land auf einer mangrovenbewachsenen Halbinsel im Norden des Kontinents. Kein Pachtvertrag über neunundneunzig Jahre diesmal, sondern Souveränität für immer, und das alles für ein wenig Geld und ein paar gute Werke.
    In Arnhem-Land lebte die spärliche Nachkommenschaft von einem halben Dutzend Aborigines-Stämmen, die versuchten, ihre halbvergessene Kultur wieder zum Leben zu erwecken. Unabhängig war es erst seit 2026, und schon sprach man in Australien davon, die lebensnotwendige Wirtschaftshilfe einzustellen – hauptsächlich Chinas wegen, das mit Handelssanktionen drohte, aber auch aus einem anderen, einfach kindischen Beweggrund: Man konnte es nicht verwinden; daß die kaum flügge gewordene Nation ihre Unabhängigkeit ernst genommen hatte. (Das an Ideenreichtum kaum zu überbietende Angebot der australischen Regierung an die Flüchtlinge hatte darin bestanden, sechzigtausend von ihnen in einer ehemaligen Leprakolonie im Nordwesten unterzubringen – für so viele Jahre wie es eben dauerte, bis man sie ohne großes Aufsehen irgendwohin weiterreichen konnte.) Die Wirtschaftshilfe wurde nicht eingestellt, aber in den australischen Medien machte man das Projekt lächerlich, sprach von einer >Preisgabe staatlicher Souveränität< und prophezeite auf alle Fälle ein soziales und wirtschaftliches Desaster.
    Investoren in aller Welt dachten anders. Geld floß ins Land. Das war keine Wohltätigkeit, es entsprach einfach den wirtschaftlichen Gegebenheiten jener Tage. Vor allem die Koreaner wußten schon gar nicht mehr, was sie mit den Früchten ihres neu erworbenen Wohlstands anfangen sollten. Das Vorhaben, eine neue Heimat förmlich aus dem Boden zu stampfen, war sicher nichts für zaghafte Gemüter, doch waren die prosperierenden Industriezentren Südostasiens nicht weit, Ingenieure und Unternehmer gab es zuhauf. Gebaut wurde nach den neuesten Techniken, und schon nach sieben Jahren ragte das Zentrum einer neuen Stadt gen Himmel. Keine Minute zu früh, denn im Jahr 2036 besetzte China Taiwan, und eine neue Flüchtlingswelle brandete heran.
    In den Jahrzehnten danach gab es immer wieder

Weitere Kostenlose Bücher