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Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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montierte Kamera einen hervorragenden Blick über die Szene. Mit E5 war es nicht schwierig, die Position des schwingenden Greifarms vorauszuberechnen, das ungewisse Moment war jedoch das ewige Hin- und Herrutschen des Containers. Die Steuerung des Krans machte uns die Sache auch nicht leichter. Bei jedem Befehl, den Greifarm zu arretieren, lief immer derselbe fest verdrahtete Zyklus ab: fünf Versuche, die Sicherungsbolzen an ihren Platz zu bringen, dann abschalten. Man konnte lediglich den richtigen Augenblick für den Start des Zyklus finden. Dreimal machte uns die Bewegung des Containers einen Strich durch die Rechnung, beim vierten Mal wußte ich, daß es wohl keine weitere Chance geben würde. Zwar konnte ich den Greifarm noch etwas weiter ausschwingen lassen, doch würde seine Bahn ihn dann so weit aufwärts tragen, daß die Sicherungsbolzen die Aufhängepunkte verfehlten.
    Als es dann klappte, sah es wie ein Wunder aus. Nicht weniger wunderbar, als wenn in einem rückwärts laufenden Film die Stücke einer zerbrochenen Vase wie von Zauberhänden wieder zusammengefügt werden. Die Bolzen waren eingerastet, bis auf einen. Es war ein lächerlicher Millimeter, um den er die Bohrung verfehlt hatte, während alle anderen gehorsam hineingeglitten waren. Ich sah schon das Bild vor meinen Augen, wie auch die anderen wieder herausgezogen wurden, weil irgendein idiotischer Mikroprozessor das Ergebnis als unbefriedigend befand.
    Ich stieß mit dem Fuß gegen den Bolzen, so fest ich konnte. Das genügte. Einsatzmodule hin oder her, ich hätte tanzen können vor Freude. Ich rannte an den Seilen vorbei, sprang zurück über den Gang, während sich die Kranmotoren mit Getöse an die Arbeit machten. Ich kletterte die Leiter hinunter und lief.
    Langsam hob sich der Container. Der MA52, der zu einem Drittel aus der Öffnung ragte, hatte keine andere Wahl, als mit nach oben zu schweben. Als seine Raupenketten in Dachhöhe des Containers waren, der ihm den Weg versperrt hatte, fragte ich mich, ob er den Sprung in die Freiheit wagen würde. Aber der Abstand war zu groß. Hilflos baumelte das Monster am Kran und mußte sich zur Decke ziehen lassen, fünfzig Meter über dem Boden.
    Von draußen hörte man Polizeisirenen, die Verstärkung war im Anmarsch. Am Ausgang traf ich auf Vincent.
    Ich sagte: »Und jetzt warten wir auf die Armee, damit sie das Scheißding in Stücke pusten.«
    Vincent schüttelte den Kopf. »Nicht nötig.«
    »Was soll das heißen?«
    »Die Sicherungen an diesem Kran«, sagte er, »lassen doch sehr zu wünschen übrig.«
    Er löste den Greifarm.
    Man fand später Waffen unter den Trümmern, genug, um eine halbe Stadt dem Erdboden gleichzumachen. Und daß nichts dergleichen passiert war, lag nur an der Ungeschicklichkeit der Kinder. Es stellte sich heraus, daß sie das Sicherheitssystem des falschen Lagerhauses außer Gefecht gesetzt hatten. Ohne jede Vorwarnung wäre es darauf hinausgelaufen, daß die Armee den Roboter auf seinem Weg durch die Straßen hätte stellen müssen. Genau das war in drei afrikanischen Städten passiert, und die Verluste waren groß. Natürlich hatte es auch überall die üblichen Bombenattentate gegeben; von gewöhnlichen Sprengsätzen bis hin zu Nervengasgranaten. So genau wollte ich es gar nicht wissen. Ich las die Schlagzeilen auf dem Bildschirm und blätterte dann so schnell wie möglich weiter. So bald schon wollte ich nicht erkennen müssen, wie klein und unbedeutend unser Sieg letzten Endes war.
    Obwohl wir doch nur Glück gehabt hatten, wurden Vincent und ich als Helden dargestellt. Mir kam das sehr gelegen, nun stand meiner Versetzung zur Antiterror-Einheit nichts mehr im Wege. Der Medientrubel war ermüdend, aber ich biß die Zähne zusammen und hoffte auf ein baldiges Ende. Karen gefiel es ganz und gar nicht; ich konnte es ihr nicht verdenken. Alle Freunde und Bekannten wollten über nichts anderes reden, und die Geschichte immer wieder hören zu müssen bereitete ihr körperlich Schmerzen.
    Aber das Schlimmste sollte noch kommen: Eines Sonntagnachmittags schneite Karens Bruder herein, und er brachte, um uns eine Freude zu machen, ein Video aller Fernsehinterviews mit. Die Interviews, denen wir mit Mühe und Not aus dem Weg gegangen waren, als sie gesendet wurden, weil Vincent und ich sie mit aktivierten Modulen hatten geben müssen. Darauf hatten unsere Vorgesetzten bestanden. Wir mußten sie alle über uns ergehen lassen, Karens Bruder ließ nicht locker. Karen haßte es,

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