Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
Vom Netzwerk:
mich aktiviert zu sehen, und ich selbst haßte es kaum weniger. »Unser kleiner Zombie-Pfadfinder«, nannte sie mich, und da war etwas dran. Dieser Polizist auf dem Bildschirm, der aussah wie ich, war so beflissen und ernst, so grauenhaft verständnisvoll und dabei borniert, daß ich am liebsten gekotzt hätte. (Es gibt zwar Leute, die von Geburt an so sind, aber nicht viele, und sie tun einem schrecklich leid.)
    Jeder Polizist ist mit sechs Standard->Einsatzmodulen< ausgerüstet, El bis E6, aber es ist vor allem E3, das das Gehirn in den optimalen Zustand für unsere Arbeit versetzt. Es ist E3, das uns einsatzbereit macht. Ich war immer der Meinung gewesen, daß dieses Modul in Wirklichkeit das Gehirn zu einem Krüppel macht – gründlich, doch nicht unwiderruflich und zu unserem eigenen Nutzen. Das mußte man eben akzeptieren, wenn auch Begeisterung fehl am Platze war. Die Einsatzmodule machten aus uns bessere Polizisten, sie retteten Leben – und sie machten uns für eine gewisse Zeit zu Wesen, die man nicht mehr so ganz als Menschen bezeichnen durfte. Ich konnte damit leben, solange ich nicht ständig mit der Nase draufgestoßen wurde. Die Drogen, die man in der guten und weniger guten alten Zeit für diese Zwecke benutzte, hatten viele Nebenwirkungen. Eine grobe, unvollkommene Methode, die Psyche gegen Emotionen abzuschotten, die Sinne zu schärfen und die Reaktionszeit zu verkürzen. Und die unangenehmste Nebenwirkung von allen war, daß der Übergang vom derart aktivierten Zustand in den normalen völlig überraschend stattfinden konnte. Die neu erfundenen Neuromodule beseitigten alle diese Schwierigkeiten auf einen Schlag. Es gab zwei Seiten meines Lebens und dazwischen eine klare Trennlinie: Im Dienst war ich aktiviert, in der Freizeit waren die Module abgeschaltet, und wenn ich auf diese Weise vielleicht aus zwei verschiedenen Personen bestand, dann ließen sie sich wenigstens gegenseitig in Ruhe.
    Karen benutzte kein Modul bei ihrer Arbeit. Die Ärzteschaft, dieses unverbesserlich konservative Volk, runzelte die Stirn über die neue Technik – doch seit die Versicherungen gegen Kunstfehler ihre Beiträge davon abhängig machen, läßt der Widerstand etwas nach.
    Am zweiten Dezember erfuhr ich, daß meine Versetzung akzeptiert war – das war wenige Stunden, bevor ich es in den Abendnachrichten lesen konnte. Das war ein Freitag, und am folgenden Tag gingen Karen und ich, Vincent und seine Frau Maria zusammen essen, um das Ereignis gebührend zu feiern. Auch Vincent hatte man eine Stelle in der Spezialeinheit angeboten, doch er hatte abgelehnt.
    »Du verschenkst eine Karriere«, sagte ich, und es war nicht nur Spaß, denn wir hatten darüber noch nicht reden können; während des Diensts, mit aktivierten Modulen, sind solche Themen tabu. »Terroristenabwehr ist eine Wachstumsbranche. Zehn Jahre bei dieser Truppe, und ich kann den Dienst quittieren und einer dieser unanständig gut bezahlten Sicherheitsberater von Großunternehmen werden.«
    Er warf mir einen merkwürdigen Blick zu und sagte: »Ich denke, mir fehlt einfach der nötige Ehrgeiz.« Dann nahm er Marias Hand und drückte sie. Das war nun wirklich keine so besondere Geste, aber sie hat sich mir tief eingeprägt.
    Ich wachte am Sonntag lange vor Morgengrauen auf und konnte nicht wieder einschlafen. Ich stieg aus dem Bett. Karen spürte immer, wenn ich wachlag, und es irritierte sie weit mehr, als wenn der Platz neben ihr leer war. Ich saß in der Küche und versuchte, zu einem Entschluß zu kommen. Statt dessen wurde ich immer wütender, weil ich nicht ein einziges Mal daran gedacht hatte, daß ich sie in Gefahr brachte. Wir hätten darüber reden müssen, bevor ich die Versetzung akzeptierte – und war dieser Gedanke nicht noch empörender als alles andere? Wie konnte ich sie fragen? Wie konnte ich, wenn ich nur einen Hauch von Gefahr witterte, vor sie hintreten und sagen: >Es liegt ganz bei dir    Ich ging zum Fenster und blickte über die hellerleuchtete Straße; seit es die Barriere gab, schien es mir, wurden die Lampen von Jahr zu Jahr heller. Zwei Radfahrer kamen vorbei. Die Fensterscheibe zerplatzte, und durch den leeren Rahmen hindurch flog ich den Scherben hinterher, hinunter auf den Rasen.
    Die Einsatzmodule erwachten ganz automatisch zum Leben.
    Ich

Weitere Kostenlose Bücher