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Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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vor allem für den fünfzehnten November; warum sollten sie es diesmal anders halten? Die Kaufhäuser bauten an den Türen Röntgengeräte auf oder ließen die Kunden erst nach einer Leibesvisitation ins Haus (und das Einkaufen per Telefon oder Computer erlebte eine neue Blüte). Die Fahrpläne der Eisenbahngesellschaften brachen zusammen, weil es Stunden dauerte, bis alle Fahrgäste die Kontrollen passiert hatten (und das elektronische Reisen war plötzlich wieder in Mode).
    Am neunten November gab Duprey im Gefängnis eine Pressekonferenz; Fragen beantwortete er nicht, dafür verlas er eine vorbereitete Erklärung, in der er der Gewalt abschwor und seine Anhänger aufforderte, dasselbe zu tun. Ich hätte wetten können, daß man ihm dafür ganz ungewöhnliche Zugeständnisse gemacht hatte, wenn er nicht gar dazu gezwungen worden war. Ich war auch sicher, daß niemand vorhersagen konnte, wie viele Kinder dem Aufruf folgten – aber die Medien erweckten den Eindruck, als könnte der Mann nun, wie durch ein Wunder, begnadigt werden, und so ließ die allgemeine Hysterie etwas nach.
    Ich hoffte nur, daß die Anhänger des Meisters ebenso leicht zu manipulieren waren wie der Rest der Bevölkerung.
    Vier Tage später war die Geschichte geplatzt: Es waren nicht Dupreys eigene Worte, man hatte ihm ein Marionetten-Modul verpaßt. Das war gegen das Gesetz. Das oberste Bundesgericht der Vereinigten Staaten hatte erst einige Monate zuvor bekräftigt, daß die erzwungene Implantation eines Neuromoduls verfassungswidrig war, welches auch immer die Umstände des Falles waren. Und abgesehen davon gab es auch in Maine kein Gesetz, das ein solches Vorgehen erlaubte. Der Gefängnisdirektor nahm den Hut. Der oberste FBI-Beamte des Staates Maine pustete sich das Gehirn aus dem Schädel. Aber weit gravierender war doch, daß es wohl nichts auf der Welt gab, womit man die Kinder noch mehr hätte aufbringen können.
    Es war kurz nach zwei Uhr am fünfzehnten November, daß Vincent Lo und ich über einen Alarm in einem Containerlager im Hafen informiert wurden. Später hat man uns gefragt, wie man denn so >tollkühn< sein könnte, sich >mutterseelenallein< in solche >Gefahr< zu begeben. Wie stellen die Leute sich das vor? Sollte man bei jedem der achtzigtausend Einbrüche, die weltweit an einem einzigen Tag begangen werden, Terroristenalarm auslösen? Zum Preis von anderthalb Millionen Dollar pro Einsatz? Maine war schließlich auf der anderen Seite des Planeten. Die Kinder hatten in Australien bisher nur einmal zugeschlagen – ein versuchtes Bombenattentat, bei dem niemand außer dem Bombenleger selbst ums Leben kam. Selbstverständlich spazierten wir geradewegs in das Lagerhaus hinein.
    Natürlich zogen wir erst einmal das Sicherheitssystem des Lagers zu Rate. Die Überwachungskameras zeigten nichts Ungewöhnliches. Irgend etwas hatte einen Bewegungsmelder ausgelöst. (Ein vorbeifahrender Zug? Das wäre nicht das erste Mal.) Die Container standen in mehreren Reihen, ich ging einen Gang zwischen den Reihen entlang, Vincent einen anderen, während E2 uns ermöglichte, gleichzeitig mit unseren eigenen Augen und über eine der siebzehn Fernsehkameras an der Decke (oder auch alle gleichzeitig) zu sehen. Ich zündete eine hübsche kleine Granate, die dünne Nebelstreifen in allen Farben quer durch den Raum versprühte – ein Trick, mit dem man auf einen Schlag auch das raffinierteste Datenchamäleon entlarvte. Die Kameras waren sauber. Wir waren allein in dem Lagerhaus.
    Wenige Sekunden später spürten wir, daß der Fußboden vibrierte. Wir koppelten unsere Sinnesinformation, um die Parallaxe bestimmen zu können, und orteten die Quelle der Erschütterungen in einem Container der zweiten Reihe von links. Gerade wollte ich die Kamera direkt darüber auf Infrarot umschalten, da hatte sich das auch schon erübrigt. Ein hellblauer, transparenter Plasmastrahl drang durch die stählerne Containerwand, nicht weit von der oberen Ecke, und wanderte dann langsam an der Kante entlang nach unten. Ein sauberer Schnitt.
    Vincent ließ sich vom Hauptcomputer des Lagers die Inventarliste geben und sagte: »Ein Bergbauroboter, ein Hitachi MA52, für die Goldminen.«
    Das war der Augenblick, in dem ich einen leichten Schauder fühlte – soweit E3 das erlaubte. Der Container war fünfzehn Meter hoch. Einen MA52 hatte ich schon mal im Fernsehen gesehen, sie sahen aus wie eine Kreuzung zwischen Panzer und Bulldozer, nur um ein Vielfaches größer, und tasteten

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