Quarantäne
ihres Talents aus all den Jahren kann er nicht ersetzen… Aber Po-kwai sollte endlich erfahren, worum es geht, das hat sie sich verdient – und je mehr sie weiß, desto besser kann sie das Modul einsetzen. Wie kann es im Interesse der INITIATIVE sein, sie über Herkunft und Möglichkeiten des Moduls im Dunkeln zu lassen? Sicher habe ich kein Recht, diese Frage zu entscheiden… aber offen gesagt kann es nur eine vernünftige Antwort geben.
Po-kwai läßt sich auf die Couch fallen, rekelt und streckt sich und sieht mich dann vorwurfsvoll an. »Wir haben eben den wissenschaftlichen Durchbruch des Jahrhunderts geschafft, und Sie reden von Pokermaschinen!!«
»Tut mir leid; Glücksspiel ist das erste, was mir dabei einfällt. Ich muß gestehen, daß ich über anspruchsvollere Anwendungen der Telekinese noch nicht nachgedacht habe.«
Sie zuckt zusammen. »Telekinese!… Nun ja«, fährt sie zögernd fort, »so werden sie es in den Medien wohl nennen – wenn wir jemals diese Geheimniskrämerei aufgeben und die Ergebnisse veröffentlichen werden.«
»Und wie sollten sie es sonst nennen?«
»Oh… von Nervenzellen gesteuerte lineare Zerlegung des Zustandsvektors mit nachfolgender Phasenverschiebung und willkürlicher Auswahl eines bestimmten Eigenzustands.« Sie lacht. »Sie haben sicher recht, wir sollten uns eine hübschere Bezeichnung ausdenken, sonst wird es nichts als Mißverständnisse geben.«
Was sie da gesagt hat, ergibt für mich keinen Sinn, aber…
»Eigenzustand? Das gehört doch in die Quantenmechanik, oder?«
Sie nickt. »Stimmt.«
Einen Augenblick lang scheint sie drauf und dran zu sein, es mir zu erklären. Doch statt weiterzusprechen gähnt sie nur. Trotzdem bin ich sicher, daß sie nur zu gerne meine Fragen beantworten würde – soweit sie informiert ist. Nur fragen müßte ich, das ist alles: Wie funktioniert dieses Modul? Wo liegt sein Geheimnis? Und welches Geheimnis verbirgt sich hinter der INITIATIVE? WAS IST ES, WOFÜR ICH LEBE?
»Nick«, sagt sie, »ich bin ziemlich müde…«
»Natürlich. Gute Nacht also. Bis morgen.«
»Gute Nacht.«
Ich sitze in der Diele und halte den Blick starr auf die Eingangstür gerichtet, pflichtbewußt wie immer… bis ich mich, um drei Uhr zweiundfünfzig, dabei ertappe, wie ich dem unaufhörlichen künstlichen Insektengezirpe lausche. Unmerklich, doch unbestreitbar zieht es meine Aufmerksamkeit auf sich.
Ich versuche, den Wächter-Modus zu stabilisieren, und stelle fest, daß sich statt dessen ein Gefühl von Langeweile breitmacht – zuerst, doch dann wird mir mulmig zumute. Ich starte, nun das zwanzigste Mal in dieser Woche, das Selbsttestprogramm von E3.
>FEHLERSUCHE: NEGATIV<
Was geht hier vor?
Ich bin nicht krank, das ist es nicht. Unmöglich, denn alle meine Module melden, daß sie intakt seien – und selbst wenn ein Defekt auch das Selbsttestprogramm beeinträchtigt hätte: Es ist ziemlich unwahrscheinlich, daß irgendein zufälliger Schaden die beteiligten Neurone genau in dem Sinne beeinflußt, daß sie auf die Frage nach einem Fehler mit Nein antworten.
Aber was, wenn es kein zufälliger Defekt ist? Was, wenn ein Feind des Unternehmens das Wachpersonal mit Modulviren infiziert hat? Aber dann wäre seine Taktik ziemlich absurd – warum sollte er unsere Module so langsam zerstören, daß wir noch tagelang Zeit haben, über die Symptome nachzudenken? Viel geschickter wäre es doch, Marionetten-Module in unsere Körper einzuschleusen, von denen wir nichts spüren, die unbemerkt in uns schlummern, bis sie zu einem vorbestimmten Zeitpunkt auf einen Schlag aktiviert würden.
Aber was ist es dann?
Karen taucht vor mir auf. Ich will, daß sie geht – nichts geschieht. Sie steht einfach da; schweigend, etwas verwundert, weil sie ebensowenig wie ich ihre Gegenwart erklären kann. Ich rede auf sie ein: »Ich bin aktiviert. Wir wissen doch, wie sehr du diesen Anblick verabscheust. Besser, du gehst.« Dieses Argument beeindruckt sie nicht im geringsten, was kein Wunder ist: Denn was immer E3 behaupten mag, aktiviert bin ich nicht, soviel steht fest.
Wozu ist ein Wächter noch gut, dessen Spezialmodule nicht mehr funktionieren? Ein Wächter mit krankhaften Halluzinationen?
Ich schließe die Augen, ich muß mich beruhigen. Was ist denn schon passiert? Ich brauche doch nur morgen zur Krankenstation zu gehen und den Ärzten die Symptome zu beschreiben. Sicher werden die Fachleute damit etwas anfangen können. Was immer es ist, sie werden es in
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