Quarantäne
VERÄNDERLICH BEFUNDEN!«
»Rolle des…?«
»Beobachters. In der Quantenmechanik.« Sie sieht mich an, als hätte ich etwas höchst Unanständiges gesagt, dann dämmert es ihr: »Man hat Sie gar nicht eingeweiht – ist das die Möglichkeit!?« Sie schnaubt ärgerlich. »Oh, natürlich, Nick ist nur ein Leibwächter, ein halber Roboter – warum sollte man sich die Mühe machen ihm zu sagen, wofür er sein Leben riskiert?«
Ich schüttle den Kopf. »Ich riskiere nicht mein Leben. Und solange es keinen besonderen Grund gibt, mich zu informieren, ist es vielleicht sogar besser…«
»Ach, Blödsinn!«
»Das ist mein Ernst.«
E3 sorgt dafür, daß ich ruhig und gelassen bleibe – aber in mir, auch wenn ich ganz der leidenschaftslose Beobachter bin, tobt ein Sturm: Ich will die Geheimnisse der INITIATIVE nicht erfahren… ich will nicht hinter den Schleier blicken… ich will die endgültige, vielleicht ernüchternde Antwort nicht wissen.
Doch ist es mit aktiviertem Modul ein seltsam unwirklicher Aufruhr, der gar nicht meine Person zu betreffen scheint. Aktiviert kann ich mit einem Gehorsam, der nicht auf einfache Begriffe zu bringen ist, nichts anfangen – und keinerlei Instruktion verlangt von mir, aus ehrfürchtiger Scheu heraus unwissend zu bleiben. Die Mystizismen, mit denen ich mein Bild der INITIATIVE ausgeschmückt habe, entspringen nicht dem Loyalitätsmodul – und der kleine Zombie-Pfadfinder hat keine Verwendung dafür.
Aber wie dem auch sei, ich habe keine Wahl, denn Po-kwai ist offenbar entschlossen, mir alles zu sagen. »Dann hören Sie mal zu. Das technische Drumherum ist scheußlich kompliziert, aber das Prinzip ist einfach. Haben Sie schon einmal vom Meßproblem der Quantenmechanik gehört?«
»Nein.«
»Aber von Schrödingers Katze?«
»Natürlich.«
»Gut. Schrödingers Katze ist ein Beispiel, um das Meßproblem der Quantenmechanik zu erläutern. Die Quantenmechanik beschreibt mikrophysikalische Systeme – Moleküle, Atome, subatomare Teilchen – mit einer Formel, die man >Wellenfunktion< nennt. Aus der Wellenfunktion eines Systems kann man die Wahrscheinlichkeit vorhersagen, mit der bei der Messung die verschiedenen Ergebnisse eintreten werden.
Zum Beispiel: Angenommen, man läßt Silberionen durch ein Magnetfeld wandern, bis sie auf einen Fluoreszenzschirm treffen; die Quantenmechanik sagt voraus, daß man in der Hälfte der Fälle einen Lichtblitz auf dem Schirm wahrnimmt, der einer Aufwärtsbewegung der Ionen entspricht, in den anderen Fällen sollte sich dagegen eine Abwärtsbewegung nachweisen lassen. Das wird damit erklärt, daß jedes Ion einen Spin besitzt, der mit dem Magnetfeld in Wechselwirkung tritt. Es wird nach oben oder nach unten abgelenkt, je nachdem, welchen von zwei möglichen Spin-Zuständen das Ion einnimmt. Beobachtet man den Bildschirm, dann mißt man so den Spin der Silberionen.
Oder ein anderes Beispiel: Man gibt eine radioaktive Substanz, von der mit gewisser Wahrscheinlichkeit innerhalb einer Stunde ein Atom zerfällt, in einen Behälter. Dann richtet man ein Zählrohr auf die Strahlungsquelle, das mit einer Vorrichtung gekoppelt ist, die als Reaktion auf den Atomzerfall eine Phiole mit Giftgas zertrümmert. In dem Behälter befindet sich außerdem eine Katze, die beim Freiwerden des Giftgases getötet wird. Der Behälter ist undurchsichtig; man verschließt ihn, wartet eine Stunde und schaut dann nach, was passiert ist. Wiederholt man dieses Experiment immer wieder – mit einer neuen Katze, falls nötig –, dann wird man, entsprechend der Quantenmechanik, in der Hälfte der Fälle eine tote, in den anderen Fällen eine lebende Katze finden. Mit dem Öffnen des Behälters, mit dem Blick auf die Katze hat man gemessen, ob ein Atom zerfallen ist oder nicht.«
»Na schön… aber wo liegt das Problem?«
»Das Problem ist: Vor der Messung ist der Ausgang des Experiments völlig offen; die Wellenfunktion besagt nichts über das Resultat, sie gibt nur an, daß für beide möglichen Resultate die gleiche Wahrscheinlichkeit besteht. Doch wenn man erst einmal eine Messung gemacht, das Ergebnis überprüft hat, dann wird auch die nachfolgende Messung an demselben System dasselbe Ergebnis liefern, obwohl das den statistischen Erwartungen widerspricht. Auf der Ebene der Wellenfunktion bedeutet der Meßvorgang nichts anderes, als daß der Zustand der Katze von nun an nicht mehr die >Mischung< zweier Wellenpakete oder zweier Möglichkeiten ist, sondern ein >reines<
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