Quarantäne
werden dreiundzwanzig verschiedene Projekte bearbeitet. Und kein Mitarbeiter an einem Projekt ist befugt, Informationen an Unbeteiligte weiterzugeben. Vergessen Sie das nicht.«
»Ich habe doch nur gesagt…«
»Ich weiß, was Sie gesagt haben… Tut mir leid, aber ich kann das nicht durchgehen lassen. Es berührt die Sicherheit.«
Ich merke ihr an, daß sie wütend ist. Aber dann sagt sie: »Eigentlich sollte ich jetzt froh sein.«
»Warum?«
»Weil ich viel lieber glaube, daß Sie dazu da sind, mich am Plaudern zu hindern, als aus irgendeinem anderen Grund.«
Ihre Wohnung liegt tief im Innern des Hochhauses, fern der Außenwände, und hat natürlich keine richtigen Fenster. Aber die Echtzeit-Hologramme an ihrer Stelle, hochauflösend und mit einem weiten Blickwinkel, dürften niemandem Grund zum Mäkeln geben – von ihren Vorteilen für die Sicherheit einmal ganz abgesehen. Ich überprüfe rasch jeden einzelnen Raum; zu bestätigen, daß sich kein Eindringling in Menschengestalt hier befindet, dauert nicht lange. Die Suche etwa auf Mikroroboter auszudehnen, hat keinen Sinn. Das würde eine ganze Woche dauern und mehrere hunderttausend Dollar kosten – von versteckten Ultrachips und künstlichen Viren gar nicht zureden.
Ich sage Miss Chung gute Nacht und setze mich in die Diele, mit Blick auf die Eingangstür. Aus ihrem Zimmer kommt kein Laut – ich glaube, sie liest –, und Geräusche aus den Nachbarwohnungen verschluckt die Schallisolierung. Nicht einmal die Klimaanlage ist zu hören. Das einzige, was man wahrnehmen kann, sind feine Insektenlaute. Künstlich produziert oder nicht – jedenfalls werden sie über das Entlüftungssystem im ganzen Haus verbreitet. Irgendso ein pseudopsychologischer Kram, eine Imitation der natürlichen Umwelt von Arnhem-Land, damit wir den Draht zur Natur nicht ganz verlieren… Sie gehorchen einem Zufallsmuster, doch nur zu einem gewissen Grad – es steckt noch genügend Ordnung darin, daß es einen nicht wahnsinnig macht. Damit dürfte E3 keine Probleme haben, ich aktiviere den Wächter-Modus. Stunden vergehen, ereignislos. Dann erscheint Lee, um mich abzulösen.
Chung Po-kwais Lautsprecherstimme dringt bis in meine Träume. Ich weise Master an, sie herauszufiltern, aber sie kommt wieder, schleicht sich in vielerlei Verkleidung ungehindert ein. Alles, was ich höre, sehe, fühle, telegraphiert mir eine Botschaft, tüt-tüüt. Jeder Rhythmus, jede Bewegung ein Auf-ab, Linksrechts. Der kleine Junge mit dem hüpfenden Basketball, auf-ab; er wechselt die Hände, links… rechts… links… rechts… rechts… links… rechts… links… links… Der Bergbauroboter im Lagerhaus in seinem Container nimmt Anlauf, vor… zurück… vor… zurück.
Probleme mit E3, Probleme mit Master – was ist los? Habe ich einen Gehirntumor? Ich lasse das Selbsttestprogramm jedes einzelnen Moduls in meinem Schädel laufen; sie alle bezeichnen sich ohne Ausnahme als voll funktionsfähig.
Das Experiment geht weiter, Tag für Tag, ohne daß ein Fortschritt erkennbar wäre. Po-kwais Stimme klingt so geduldig wie immer, wenn sie die Ergebnisse ansagt, doch wirkt ihre gewohnte Fröhlichkeit, wenn sie das Labor erst verlassen hat, nun reichlich gezwungen. Bald habe ich gelernt, daß ich nur alles schlimmer mache, wenn ich die Rede auf das Experiment bringe. Ob Leung, Lui und Tse enttäuscht sind, kann ich nicht sagen; sie diskutieren manchmal recht lautstark, sogar auf Englisch, doch ist ihr Jargon für mich absolut unverständlich. Sie um Erklärung zu bitten kommt nicht in Frage, bin ich für sie doch nichts weiter als ein Teil der Sicherheitseinrichtungen, den das Projekt nicht mehr angeht als die Kamera an der Decke oder das Ausweislesegerät vor einer Tür. Und sie haben recht. Schließlich ist das genau die Rolle, die ich hier übernommen habe.
Als ich eines Abends zum Dienst erscheine, finde ich mich mit Dr. Lui allein im Fahrstuhl. Er nickt mir zu und sagt etwas steif: »Nun, wie kommen Sie hier zurecht, Nick?«
Ich bin erstaunt, daß er meinen Namen kennt. »Danke, sehr gut.«
»Das freut mich. Ich habe gehört, Sie kamen auf etwas… unübliche Weise zu dieser Firma.«
Ich gehe nicht darauf ein. Da ich über BDI nicht reden darf, kann ich wohl schlecht über das Loyalitätsmodul und die Umstände plaudern, die es mir beschert haben.
Es dauert auch nicht lange, bis wir im sechsten Stock angekommen sind. Kurz bevor sich die Tür öffnet, sagt er ganz ruhig: »Dasselbe gilt
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