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Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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als die Barrieren, nicht anders als die Erkenntnisse unserer Quanten-Metaphysik? Könnte es nicht sein, daß die Unterscheidung zwischen der vorgeblichen und der wahren INITIATIVE am Ende ohne jede praktische Bedeutung ist – daß der Unterschied, so wichtig er für die Streiter der Liga auch ist, sich nur in der Theorie äußert? Weder Lui noch sonst irgend jemand hat mir je gesagt, was die Liga anders machen würde, wenn sie die Kontrolle über die INITIATIVE gewinnt – und meine eigenen Vorstellungen davon sind zu nebelhaft, um sie überhaupt in Worte fassen zu können. Im Grunde bin ich überzeugt, daß Po-kwai über Laura und die Herkunft des Moduls Bescheid wissen sollte, aber ich sage es ihr nicht, denn in meiner Position bin ich nicht in der Lage, die Konsequenzen abzuschätzen.
    Vielleicht ist es der einzige Zweck der Liga, unser unvermeidliches, harmloses Ketzertum in eine uns verständliche Form zu bringen. Vielleicht spielen wir die Verschwörer, um uns zu beweisen, daß wir noch frei und unabhängig sind… während das Ziel unserer Verschwörung genau das sein wird, was unsere Oberen von uns erwarten.
    Als ich nach der üblichen abendlichen Überprüfung der Wohnung aus der Schlafzimmertür trete, sagt Po-kwai ganz nebenbei: »Das war wirklich ein gutes Ergebnis heute. Stimmig und schlüssig… eigentlich ausreichend für eine Veröffentlichung, wann immer das sein mag. Ich wollte im Restaurant nicht davon reden – Sie sehen, ich habe gelernt zu schweigen.«
    »Meinen Glückwunsch.«
    »Für das Schweigen?«
    »Für die Ergebnisse.«
    Sie verzieht das Gesicht. »Seien Sie nicht so gräßlich vernünftig, das macht mich ganz krank. Sie wollten doch bestimmt nicht, daß es dazu kommt. Ich erwarte nicht, daß Sie sich die Pulsadern aufschneiden, aber wenigstens einigermaßen… verärgert könnten Sie doch sein, oder?«
    »Nicht im Dienst.«
    An den Türrahmen gelehnt, läßt sie einen tiefen Seufzer hören. »Manchmal frage ich mich tatsächlich, wer von uns beiden am wenigsten von einem Menschen an sich hat – Sie während der Arbeit oder ich im verschmierten Zustand.«
    »In was für einem Zustand?«
    »Nichtkollabiert, im Mischzustand, über alle Eigenzustände verschmiert.« Sie lacht. »Das wird es sein, womit ich in die Geschichte eingehe: Der erste Mensch, der willentlich verschmiert sein kann.«
    Das wäre die Gelegenheit gewesen, ihr zu widersprechen und endlich einmal auf Laura zu kommen. Eine Pause entsteht, während der ich mir das Gehirn zermartere – aber das Risiko ist einfach zu groß. Was nicht heißt, daß ich das Thema nicht ein wenig sondieren könnte. »Willentlich, ja – aber wäre es nicht denkbar, daß etwa ein Defekt in jenem besonderen Teil desGehirns die Fähigkeit zum Kollabieren ausschaltet? Daß irgendein geistig behinderter Mensch schon Ähnliches tun konnte?«
    Sie nickt beifällig. »Ein gutes Argument. Das kann natürlich sein. Allerdings würde es niemand bemerkt haben; niemand würde es je wissen. Jedesmal, wenn ein solcher Mensch mit einem anderen in Wechselwirkung trat, der dann den Kollaps bewirkte, stellte sich ein bestimmter Eigenzustand ein, was jede Erinnerung an die Vorgeschichte ausschließt. Keiner von beiden hätte gewußt, daß nun etwas anders war als vorher.«
    »Und solange dieser behinderte Mensch ganz allein ist…?«
    Sie zuckt mit den Achseln. »Ich glaube nicht, daß diese Frage einen Sinn ergibt. Ich habe Ihnen ja erzählt, daß ich nach dem Kollaps nur einen einzigen Satz Erinnerungen habe. Nur die Resultate beweisen, daß ich verschmiert war. Jemand mit einem Hirnschaden hat natürlich nicht die Möglichkeit, die das Modul mir bietet, nämlich die Auswahl des Eigenzustands – so würde der hinzutretende >Beobachter< die Wellenfunktion entsprechend derselben Wahrscheinlichkeitsverteilung kollabieren lassen, der sie ohnehin gehorcht. Das Ergebnis wäre identisch.« Sie lacht. »Ich glaube, selbst für Niels Bohr wäre eine solche Person ein Mensch wie jeder andere. Wenn es keinen Weg gibt – auch nicht für diese Person –, die Erfahrungen aus dem verschmierten Zustand herüberzuretten, wie soll man ihn da nachweisen? Und zur Hälfte wäre ich mit ihm einverstanden: So lange die Frist zwischen zwei Kontakten mit einem >Beobachter< auch wäre, jedesmal würde aus den unzähligen Bewußtseinszuständen und Erlebnissen der verschiedenen Eigenzustände nach dem Kollaps nichts weiter als banale, alltägliche Realität entstehen.«
    »Und wenn

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