Quarantäne
Hologrammgenerator – was unmöglich sein kann –, die Empfindlichkeit zu erhöhen und das Streulicht über dem Häusermeer herauszufiltern, bis sich der leere Nachthimmel zum tiefsten Schwarz verfinstert hat.
Unmöglich, daß Karen Transmitter steuern kann. Oder genügt es ihr nicht, daß ich ihren Körper halluziniere – versucht sie, auch mein übriges Gesichtsfeld zu manipulieren? Zwei gleichermaßen unwahrscheinliche Erklärungen, die ich resigniert und wie betäubtzur Kenntnis nehme. Zu hoffen, daß mein Problem sich von allein erledigen wird, hat sich als vergeblich erwiesen. Es wird sich nicht vermeiden lassen, daß die Neurotechniker meine Modulmaschinerie bis zum letzten Schräubchen unter die Lupe nehmen.
Ich starre auf den schwarzen Himmel, wieder schlägt mich der Anblick der Barriere in ihren Bann – wobei es ganz gleichgültig ist, daß dieser >Anblick< nur ein Hologramm oder gar pure Einbildung ist.
Ein winziger Lichtpunkt erscheint in der Schwärze. Weil es nur eine optische Täuschung sein kann, blinzle ich und schüttle den Kopf, aber der Lichtpunkt verändert nicht seine Position am Himmel. Ein langsamer Satellit auf erdferner Umlaufbahn, der eben aus dem Erdschatten aufgetaucht ist? Der Punkt wird heller, und schließlich gesellt sich noch ein zweiter dazu.
Ich drehe mich zu Karen um. »Was treibst du für Späße mit mir?«
>Leise.< Sie nimmt meine Hand. >Schau es dir an.<
Immer neue Sterne tauchen auf, verdoppeln und vervielfachen sich, als könnten sie das mit derselben Leichtigkeit wie irgendwelche Leuchtbakterien – bis der Himmel mit glitzernden Diamanten geradezu übersät ist, so, wie ich es von den strahlendsten Sternennächten meiner Kindheit kenne. Ich suche nach den vertrauten Sternbildern und kann für einen flüchtigen Augenblick den Umriß von Orion erkennen – aber schon ist er wieder verschwunden, untergegangen in der Masse neu entstehender Sonnen, die sich um ihn drängen. Ich sehe neue, nie geahnte Konstellationen – aber sie sind ebenso verwirrend und unbeständig wie die vermeintlichen Muster in Po-kwais Auf-Ab-Litanei, vergangen schon in jenem Augenblick, wo man sie erkannt zu haben glaubt. Auch die Satellitenaufnahmen am Barrieren-Tag zeigten keine solche Vielfalt, auch nicht der kitschigste Science-Fiction-Autor hat sie sich je auszudenken gewagt.
Ein überaus helles Lichtband – eine Version unserer Milchstraße mit vielen Sternen – hebt sich nun vor dem Hintergrund ab und nimmt ständig an Leuchtkraft zu, bis es schmerzt.
Ich flüstere: »Was willst du damit sagen?… Daß der Schaden, den wir angerichtet haben, sich vielleicht… ungeschehen machen läßt? Das verstehe ich nicht.«
Das Lichtband explodiert, breitet sich über den ganzen Himmel aus, bis die ursprünglich schwarze Fläche ein blendendes Weiß angenommen hat. Ich muß den Blick abwenden. Po-kwai schreit auf. Karen ist verschwunden. Als ich wieder auf das Hologramm blicke, zeigt es den gewohnten grauen, leeren Himmel über den Wolkenkratzern von Neu-Hongkong.
Vor der Tür ins Wohnzimmer bleibe ich stehen, ob noch ein Geräusch zu hören ist. Ich möchte sie nicht wieder erschrecken, obwohl es keinen Grund gibt, nun selbstzufrieden die nötige Vorsicht außer acht zu lassen. Niemand konnte ungesehen an mir vorbei in ihr Schlafzimmer gelangen… aber wer war ich denn für wer weiß wie lange gewesen, verstrickt/entrückt in kosmische Visionen – wer hätte nicht in dieser Zeit unbemerkt an mir vorbeischleichen können? Die ganze Episode erscheint mir jetzt ganz und gar unwirklich. Wäre nicht dieser Hauch einer Erinnerung an den blendend weißen Himmel, ich würde schwören, daß ich seit dem Augenblick, da ich Po-kwai gute Nacht sagte, bis zu dem Schrei ohne Unterbrechung und Ablenkung Wache gestanden hätte.
Als ich die Tür öffne, tritt sie gerade ins Wohnzimmer, die Arme wie fröstelnd um sich gelegt. Nüchtern sagt sie: »Wirklich, Sie sind eine große Hilfe! Ich könnte jetzt schon tot in meinem Bett liegen…« Trotz des kleinen Scherzes zur Begrüßung sieht sie diesmal sehr viel mitgenommener aus als neulich.
»Wieder ein Alptraum?«
Sie nickt. »Und diesmal kann ich mich sogar erinnern… worum es ging.«
Ich sage nichts. Sie verzieht mürrisch das Gesicht. »Nun seien Sie nicht so ein verdammter Roboter, fragen Sie endlich, was ich geträumt habe!«
»…Was haben Sie geträumt?«
»Ich habe geträumt, daß ich die Kontrolle über das Modul verloren habe. Ich träumte,
Weitere Kostenlose Bücher