Quarantaene
hinunter, dass es glaubwürdig wirkte. Sobald er um eine Ecke gebogen war, zückte er seinen Pocket-Server und verlangte nach Tabby Menkowitz vom Sicherheitsdienst. Gleich darauf hatte er sie am Apparat.
»Charlie? Es ist eine Stunde vor Sonnenaufgang – was machen Sie hier?«
»Ich glaube, wir haben eventuell ein Problem, Tab.«
»Wir haben viele Probleme. Welche Geschmacksrichtung können Sie anbieten?«
»Ray Scutter ist in meinem Büro und möchte eine Führung durchs Werk.«
»Sie wollen mich auf den Arm nehmen.«
»Schön wär’s.«
»Er soll einen Termin vereinbaren. Wir haben schon genug zu tun.«
»Tabby, ich kann ihm nicht einfach sagen …« Er stutzte über das, was sie gesagt hatte. »Was habt ihr zu tun?«
»Wissen Sie das nicht? Sprechen Sie mit Anne. Ist vielleicht ganz gut, dass Sie jetzt aufgekreuzt sind. Soweit ich höre, geben die O/BEKs lauter sonderbare Zahlen aus, und die Leute von der Beobachtung sind aus irgendeinem Grund total aufgeregt … Aber dafür bin ich nicht zuständig, ich weiß nur, dass alle zu beschäftigt sind, um sich mit der Verwaltung auseinanderzusetzen. Also setzen Sie Mr. Scutter in die Warteschleife.«
»Ich glaube nicht, dass er in der Stimmung ist zu warten. Er …«
»Charlie! Ich habe zu tun, okay? Kümmern Sie sich drum!«
Charlie eilte zurück in sein Büro. Irgendetwas Schwerwiegendes war mit den O/BEKs im Gange, und er wollte nach unten, um die Sache unter die Lupe zu nehmen. Aber eins nach dem anderen. Erst einmal Ray, wenn möglich, nach draußen komplimentieren, oder ihn mit Tabby verbinden, falls er damit ein Problem hatte.
Aber das Büro war leer.
Ray war weg. Ebenfalls weg war, wie Charlie sofort bemerkte, seine Ausweiskarte, die ihm überall Zugang verschaffte: einfach vom Revers seiner Jacke gepflückt, die er an den Haken neben der Tür gehängt hatte.
»Scheiße«, sagte Charlie.
Er rief noch einmal Tabby Menkowitz an, doch diesmal konnte er sie nicht erreichen. Irgendwas stimmte nicht mit seinem Pocket-Server. Er klingelte einmal, dann wurde der Bildschirm blau. Er hantierte noch immer mit dem Gerät, als plötzlich der Boden unter seinen Füßen zu vibrieren begann.
Siebenundzwanzig
Unter dem Gezwitscher seines Pocket-Servers, den er auf den Nachttisch gelegt hatte und der dort leuchtete wie ein phosphoreszierender Bleistift, stieg Chris aus schwarzem und traumlosem Schlaf auf. Er konsultierte die Uhr im Display, bevor er auf den Annahmeknopf drückte. Es war vier Uhr morgens. Er hatte gerade mal eine Stunde richtig geschlafen. Der Sturm nagte noch immer an der Hülle des Hauses.
Es war Elaine Coster, die ihn anrief. Sie sei in der Ambulanz, teilte sie mit, zusammen mit Sebastian Vogel und Sue Sampel. Sue habe Stichverletzungen erlitten, die ihr Ray Scutter zugefügt hatte. »Vielleicht solltet ihr herkommen, falls ihr es schafft bei diesem Wetter. Ich meine, es ist nicht hundertprozentig dringend; Sue wird’s überleben – sie hat übrigens sogar nach euch gefragt –, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass es vielleicht ganz klug wäre, wenn unser Haufen für eine Weile zusammenbliebe.«
Chris sah, wie Marguerite sich unruhig unter den Decken wälzte. »Wir kommen so schnell wir können.«
Er weckte sie und erzählte ihr, was passiert war.
Marguerite überließ es Chris, das Auto durch den Schnee zu navigieren. Sie saß auf dem Rücksitz neben Tess, die sich nur unwillig wach hielt und noch nicht wusste, was ihr Vater getan hatte. Marguerite hatte die Absicht, es auch dabei zu belassen, jedenfalls vorläufig. Die Belastungen für Tess waren auch so schon groß genug.
Für die Dauer der Fahrt, während Tessas Kopf in ihrem Schoß lag, der Schnee sich an den Wagenfenstern festsetzte und ganz Blind Lake in eine eisige Dunkelheit eingewickelt schien, dachte Marguerite über Ray nach.
Sie hatte ihn falsch eingeschätzt. Sie hätte nie geglaubt, dass Ray sich zu Gewalttaten würde hinreißen lassen. Selbst jetzt noch konnte sie es sich kaum vorstellen: Ray mit einem Messer. Es war ein Messer gewesen, hatte Chris gesagt. Ray hat ein Messer, und er benutzt es, sticht mit dem Messer in Sue Sampels Körper.
»Weißt du«, sagte sie zu Chris. »Ich bin nur einmal in meinem Leben ohnmächtig geworden. Und zwar wegen einer Schlange.«
Chris kämpfte mit dem Lenkrad, als sie um die Ecke in Richtung Einkaufszentrum bogen. Der Wagen geriet ins Schleudern, die Mikroprozessoren gaben blinkende Warnhinweise auf den
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