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Quarantaene

Quarantaene

Titel: Quarantaene Kostenlos Bücher Online Lesen
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Elaine, aber ich bin nicht dumm. Ich kann Wahnvorstellungen diagnostizieren. Also frage ich mich, ob Ray Scutter eventuell recht haben könnte, ob Blind Lake tatsächlich mit einer ansteckenden Form von Wahnsinn infiziert wurde. Das würde vieles erklären, nicht wahr? Zum Beispiel, warum wir unter Quarantäne gestellt wurden. Es würde auch Rays eigenes Verhalten zum Teil erklären. Es könnte vielleicht sogar erklären, warum Sue in einem Krankenzimmer liegt, mit einer Stichwunde im Bauch.«
    Und es könnte Mirror Girl erklären, dachte Chris.
    In Sorge, sie könne die Bemerkung über ihren Vater mitgehört haben, drehte er sich nach Tess um, aber Tess hatte ihr Holzauto neben der Schwingtür mit der Aufschrift ZUTRITT NUR FÜR KRANKENHAUSPERSONAL liegen lassen und war im Flur verschwunden.
    Er sprang auf und rief ihren Namen. Keine Antwort.
     
    Tess war auf der Suche nach ihrer Mutter, als sie die Zimmertür des schlafenden Mannes öffnete.
    Zuerst dachte sie, dass das Zimmer leer sei. Es war nur schwach beleuchtet, dennoch konnte sie von der Tür aus das Bett erkennen, das Fenster, einen stumm blinkenden Überwachungsmonitor und den skelettartigen Umriss eines Infusionsständers. Sie wollte sich gerade zurückziehen, da sagte der Schlafende: »Hallo, du da. Geh nicht weg.«
    Sie zögerte.
    Der Schlafende lag regungslos in seinem Bett, doch offenbar schlief er gar nicht. Er klang freundlich. Aber man konnte nie wissen.
    »Brauchst keine Angst zu haben«, sagte der Mann. Das »du« ließ er einfach weg, bemerkte Tess. Irgendwie ließ ihn das weniger Furcht erregend erscheinen.
    Vorsichtig trat sie einen Schritt näher und sagte: »Sie sind der Mann aus dem Flugzeug.«
    »Genau. Das Flugzeug. Ich heiße Adam. Wie in dem Palindrom. ›Madam, I’m Adam‹.« Seine Stimme war die eines alten Mannes, rau und langsam, aber sie klang auch müde. »Seit fünfzehn Jahren hab ich meinen Pilotenschein«, sagte er. »Aber ich bin eigentlich nur ein Wochenendflieger. Ich habe ein Haushaltswarengeschäft in Loveland, Colorado. Adam Sandoval. Der Mann aus dem Flugzeug. Das bin ich. Wie heißt du?«
    »Tessa.«
    »Und das hier muss Blind Lake sein.«
    »Ja.«
    »Klingt, als wäre es kalt draußen.«
    »Es schneit. Sie können den Schnee gegen das Fenster fallen hören.«
    »Schlechte Sicht«, sinnierte Adam Sandoval, als würde er über eine imaginäre Landebahn rollen.
    »Sind Sie schwer verletzt?«, fragte Tess. Er hatte sich immer noch nicht bewegt.
    »Na ja, ich weiß nicht recht. Ich hab keine Schmerzen. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich wirklich wach bin. Bist du ein Traum, Tessa?«
    »Ich glaube nicht.« Sie dachte daran, was der Mann getan hatte. Er war buchstäblich aus dem Himmel gefallen. Wie Dorothy. Er war auf einem Wirbelsturm nach Blind Lake gekommen. »Wie ist es draußen?«
    »Es schneit, wie du sagst. Und es scheint dunkel zu sein.«
    »Nein, ich meine, außerhalb von Blind Lake.«
    Der Mann stockte. Es war, als würde er in einer Kiste voller Erinnerungen kramen, einer Kiste, die so lange verschlossen gewesen war, dass er gar nicht mehr wusste, was er dort aufbewahrt hatte.
    »Es war schwer an dem Tag, überhaupt in die Luft zu kommen«, sagte er schließlich. »Die Nationalgarde hat die Flughäfen überwacht, sogar die kleinen Provinzflugplätze. Alle machten sich Sorgen wegen der Seesterne.« Wieder machte er eine Pause. »Der Seestern in Crossbank hat meine Frau geholt. Oder sie hat ihn geholt, vielleicht ist das ein besserer Ausdruck für die gleiche Sache.«
    Tess hatte nicht die geringste Ahnung, was das alles heißen sollte, aber sie ließ ihn reden. Es wäre unhöflich gewesen, ihn zu unterbrechen. Sie hoffte, dass wenigstens einige seiner Sätze früher oder später einen Sinn ergeben würden.
    »Bei Karen, das ist meine Frau, wurde vor sechs Jahren Gebärmutterhalskrebs festgestellt. Man konnte ihn nicht behandeln, weil ihr Immunsystem irgendeine seltene Marotte hatte. Von der Behandlung wäre sie genauso schnell gestorben wie von der Krankheit. Also hat sie sich einer Operation unterzogen und musste alle vier Stunden Tabletten nehmen, um Metastasen zu verhindern, und so hätte sie noch zwanzig Jahre weiterleben können, kein Problem, was macht es denn, wenn man von Zeit zu Zeit ein paar Kapseln von diesem und jenem schlucken muss? Aber Karen meinte, die Tabletten würden sie krank machen – und ich muss zugeben, sie ist tatsächlich die ganze Zeit aufs Klo gelaufen, weshalb es ihr einigermaßen

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