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Quarantaene

Quarantaene

Titel: Quarantaene Kostenlos Bücher Online Lesen
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Augen.«
    »Und Sie glauben nicht, dass eine therapeutische Behandlung ihr helfen könnte?«
    »Ohne abschätzig klingen zu wollen, aber die einschlägigen Behandlungen sind nicht sehr erfolgreich gewesen. Tessa hat Ritalin und eine ganze Reihe anderer Medikamente bekommen, und keins davon hat ihr in irgendeiner Weise geholfen. Ganz im Gegenteil. Das müsste eigentlich auch in der Akte stehen.«
    »Eine Therapie muss nicht mit Medikamenten einhergehen. Manchmal hilft einfach das Reden.«
    »Tess hat es aber nicht geholfen. Wenn überhaupt, dann hat sie sich dadurch noch unnormaler, noch einsamer, noch bedrängter gefühlt.«
    »Hat sie Ihnen das gesagt?«
    »Das musste sie nicht.« Marguerite stellte fest, dass ihre Hände schweißnass waren; auch ihre Stimme hatte sich angespannt. Dein defensiver Jammerton, hatte Ray immer gesagt. »Worauf wollen Sie hinaus, Mr. Fleischer?«
    »Nochmals, es tut mir leid, wenn ich aufdringlich erscheine. Aber ich weiß einfach ganz gern ein bisschen über die Lebensumstände meiner Schüler Bescheid, vor allem dann, wenn sie Probleme haben. Ich glaube, dass mich dieses Wissen zu einem besseren Lehrer macht. Wahrscheinlich klinge ich dadurch aber auch wie ein Vernehmungsbeamter. Dafür würde ich mich entschuldigen wollen.«
    »Ich weiß, dass Tess mit ihrer schriftlichen Arbeit ein bisschen hinterhergehinkt ist, aber …«
    »Sie kommt in den Unterricht, aber es gibt Tage, wo sie – ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll – emotional abwesend ist. Sie starrt aus dem Fenster. Manchmal rufe ich sie auf, und sie reagiert nicht. Sie flüstert mit sich selbst. Deswegen ist sie noch nicht unnormal, geschweige denn gestört, aber es macht sie zu einer schwierigen Schülerin. Alles, was ich sagen will, ist: Vielleicht können wir helfen.«
    »Ray war hier, nicht wahr?«
    Mr. Fleischer blinzelte. »Ich habe verschiedentlich mit Ihrem Mann gesprochen – Ihrem Exmann –, aber das ist nichts Ungewöhnliches.«
    »Was hat er Ihnen erzählt? Dass ich sie vernachlässige? Dass sie sich darüber beklagt, einsam zu sein, wenn sie bei mir ist?«
    Fleischer antwortete nicht, aber sein verblüffter Blick verriet ihn. Volltreffer. Ray, dieser Arsch!
    »Sehen Sie«, sagte Marguerite, »ich weiß Ihre Sorge zu schätzen und ich teile sie voll und ganz, aber Sie sollten auch wissen, dass Ray mit den Sorgerechtsvereinbarungen nicht zufrieden ist, und es ist nicht das erste Mal, dass er mir etwas anzuhängen versucht, um den Eindruck zu erwecken, ich sei eine schlechte Mutter. Lassen Sie mich raten: Er kam hierher und hat Ihnen erzählt, wie ungern er das Thema zur Sprache bringen würde, aber er mache sich solche Sorgen um Tessa, wo sie doch schon in Crossbank all diese Probleme hatte, und vielleicht erhielte sie auch nicht die elterliche Zuwendung, die ihr zukomme, ja, tatsächlich habe sie sogar Derartiges ihm gegenüber durchblicken lassen … trifft es das im Großen und Ganzen?«
    Fleischer hob die Hände. »Auf solche Erörterungen kann ich mich nicht einlassen. Ich habe Tessas Vater das Gleiche gesagt, was ich Ihnen sage.«
    »Ray verfolgt seine eigenen Zwecke, Mr. Fleischer.«
    »Mir liegt nur Tessas Wohl am Herzen.«
    »Nun, ich …« Marguerite unterdrückte den Drang, sich auf die Lippe zu beißen. Wie war dieses Gespräch so vollkommen aus dem Ruder gelaufen? Fleischer sah sie jetzt mit geduldiger Sorge, nein, herablassender Sorge an, aber er war schließlich Lehrer einer achten Klasse, und vielleicht war dieses großäugige Stirnrunzeln nur ein Verteidigungsreflex, eine Maske, die sich automatisch immer dann über sein Gesicht legte, wenn er mit einem hysterischen Kind konfrontiert war. Oder Elternteil. »Wissen Sie, ich bin bereit, selbstverständlich, alles zu tun, was Tess helfen würde, was ihr hilft, sich auf die schulische Arbeit zu konzentrieren …«
    »Grundsätzlich«, sagte Fleischer, »sind wir hier, glaube ich, auf einer Wellenlänge. Tess hat in Crossbank ziemlich viel Unterricht versäumt – wir wollen nicht, dass sich das wiederholt.«
    »Nein. Das wollen wir nicht. Ich glaube, ehrlich gesagt, auch nicht, dass es so weit kommen wird.« In der Hoffnung, dass es nicht allzu deutlich nach Verzweiflung klang, fügte sie hinzu: »Ich kann mich mal mit ihr zusammensetzen und darüber reden, dass sie ihre Arbeit sorgfältiger machen sollte, falls Sie das für eine gute Idee halten.«
    »Es könnte hilfreich sein.« Fleischer zögerte, dann: »Ich will nur sagen, Marguerite,

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