Quarantaene
superbösartiges, sich selbst replizierendes digitales Programm oder, um Gottes willen, ein tödliches Mem importieren könnte, das sich dann über terrestrische Datenwege verbreiten und Schäden ungeahnten Ausmaßes anrichten würde.
So misstrauisch er selbst oft war, was das in Blind Lake unternommene Stochern im Unbekannten betraf, fand er diese Vorstellung jedoch vollkommen unsinnig. Die Eingeborenen von UMa47/E konnten schwerlich wissen, dass sie ausspioniert wurden … und selbst wenn sie es wüssten, waren die am Lake verarbeiteten Bilder, auf welch mysteriösen Wegen auch immer, mit konventioneller Lichtgeschwindigkeit gereist. Sie würden nicht nur eine unvorstellbare Wahrnehmungsfähigkeit, sondern auch ein lachhaft geduldiges Rachebedürfnis aufbringen müssen, um darauf in irgendeiner Form feindselig zu reagieren. Dennoch, hatte er sich einzuräumen gezwungen gesehen, war gefährliche Steganografie eine Möglichkeit, die man, jedenfalls theoretisch, nicht ausschließen konnte. Also war das eh schon gewaltige Netz der Sicherheitsbestimmungen für Blind Lake noch um eine Reihe von Alternativplänen ergänzt worden. Obwohl das Ganze nach Rays Meinung der größte Haufen Astronomiescheiße war seit Girolamo Fracastoros Theorie, wonach die Syphilis durch ein Zusammentreffen von Saturn, Jupiter und Mars verursacht werde.
Waren diese schwachsinnigen Verordnungen also allen Ernstes zur Anwendung gekommen? »Was gegen diese Vorstellung spricht«, sagte er zu Weingart. »Keine Provokation. Wir haben nichts Verdächtiges downgeloadet.«
»Jedenfalls bisher nicht«, sagte Weingart.
»Wissen Sie etwas, das ich nicht weiß?«
»Kaum. Aber sagen wir, falls es ein Problem in Crossbank gäbe …«
»Ach, kommen Sie. Crossbank beobachtet Meere und Bakterien.«
»Ich weiß, aber falls …«
»Und außerdem erzeugen wir vollkommen verschiedene Bildobjekte. Deren Arbeit hat keine Auswirkungen auf unsere.«
»Nein, aber falls es irgendein Problem mit dem Prozess gäbe …«
»Etwas, das speziell das Auge betrifft, meinen Sie?«
»Falls es irgendwelche Probleme mit den O/BEKs in Crossbank gibt, könnte das Ministerium oder das Militär beschlossen haben, uns vorsichtshalber unter Quarantäne zu stellen.«
»Sie hätten uns wenigstens warnen können.«
»Informationssperre funktioniert in beide Richtungen. Nichts kommt rein, nichts geht raus. Wir müssen davon ausgehen, dass sie nicht einmal so etwas wie eine Trägerwelle durchkommen lassen wollen.«
»Das schließt eine Warnung nicht aus.«
»Es sei denn, sie standen unter Zeitdruck.«
»Das ist alles lächerlich spekulativ, und ich hoffe, dass Sie und Schulgin damit nicht hausieren gegangen sind. Gerüchte könnten eine Panik verursachen.«
Weingart schien etwas darauf sagen zu wollen, verkniff es sich jedoch.
»Wie auch immer«, sagte Ray, »es liegt nicht in unserer Hand. Die drängende Frage ist die, was wir auf eigene Faust tun können, bis irgendjemand kommt und die Tür wieder aufschließt.«
Weingart nickte und begann seine Liste zu verlesen. »Vorräte. Die Versorgung mit Trinkwasser ist nicht unterbrochen, die Leitungen sind also offen, aber ohne Hilfe von draußen werden uns die Nahrungsmittel noch vor Ende der Woche knapp und spätestens Ende November würden wir es mit einer Hungersnot zu tun haben. Ich gehe davon aus, dass wir neue Vorräte bekommen, aber es könnte sinnvoll sein, unsere Überschüsse gesondert zu lagern und eventuell sogar erst einmal Wachen aufzustellen.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese … Belagerung … noch bis Thanksgiving weitergeht.«
»Tja, aber wir unterhalten uns hier über ›Was wäre wenn‹ …«
»Ja, ja, ist richtig. Was sonst noch?«
»Medizinische Versorgung, die gleiche Geschichte, und die Ambulanz vor Ort ist nicht auf ernsthafte Krankheiten oder auf Verletzungen eingerichtet. Falls es ein Feuer gäbe, müssten wir Tote in Kauf nehmen, weil wir außerstande sind, eventuelle Brandopfer in ein größeres Krankenhaus zu transportieren. Auch in diesem Punkt können wir nicht viel machen, außer das medizinische Personal zu bitten, Notfallpläne zu erstellen. Außerdem, falls die Quarantäne weiter andauert, werden wir psychologische Betreuung brauchen. Wir haben bereits einige Leute, bei denen es draußen dringende Familienangelegenheiten gibt.«
»Die werden’s überleben.«
»Unterbringung. Ein paar hundert Tagesarbeiter übernachten derzeit in der Sporthalle, nicht zu reden von einigen
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