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Quarantaene

Quarantaene

Titel: Quarantaene Kostenlos Bücher Online Lesen
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etwa gerade angefasst?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Chris. »Haben Sie etwa gerade einen Hausfriedensbruch begangen?«
    Jetzt werden sie sich prügeln, dachte Marguerite, oder einer von ihnen wird einen Rückzieher machen. Ray gab sich alle Mühe; er plusterte sich auf wie ein Bantamhahn. »Kümmern Sie sich gefälligst um Ihre eigenen Angelegenheiten!« Aber er redete nur, er kämpfte nicht. »Ich muss Sie nicht um Erlaubnis bitten, wenn ich mit meiner Frau reden will. Wissen Sie, wer ich bin?«
    »Kommen Sie, Ray«, sagte Chris ruhig. »Sie gehen jetzt brav nach Hause, ja?«
    Da war etwas, das sie bei Chris bisher noch nie erlebt hatte: Zorn, echter Zorn, nicht Rays essigsaures Grimassieren. Er sah aus wie jemand, der sich darauf einstellt, eine unangenehme Aufgabe mit den Fäusten erledigen zu müssen. Sie fasste ihn am Arm. »Chris …«
    Ray nutzte die Gelegenheit – wie sie es mehr oder weniger vermutet hatte. Er trat zurück, hob die Hände und setzte zu einem typischen Rückzug à la Ray an. »Oh, bitte. Ich will hier keine Machospielchen aufführen. Was ich sagen wollte, habe ich gesagt.«
    Er drehte sich um und machte sich davon – ein bisschen wacklig in den Knien, wie ihr schien.
     
    Als er weg war und sie sich von Tessas Zimmerfenster aus davon überzeugt hatte, dass er wirklich in sein hässliches kleines schwarzes Auto gestiegen und weggefahren war, befiel Marguerite ein Gefühl nicht so sehr des Zorns oder der Furcht als vielmehr der Verlegenheit. Als sei Chris Zeuge eines beschämenden Teils ihres Lebens geworden. »Eigentlich wollte ich nicht, dass du das mit ansiehst.«
    »Ich hatte keine Lust mehr zu warten.«
    »Ich meine, danke, aber …«
    »Du musst mir nicht danken und du musst dich nicht entschuldigen.«
    Sie nickte. Sie hatte noch immer einen rasenden Puls. »Komm mit runter in die Küche«, sagte sie. Es stand nämlich wieder eine dieser langen schlaflosen, adrenalingeladenen Nächte bevor. Es war dies vielleicht eine Gewohnheit, die sie von ihrem Vater übernommen hatte, aber wo soll man eine solche Nacht schon verbringen, wenn nicht in der Küche?
    Ray hatte einige beunruhigende Dinge gesagt. Da gab es eine Menge, worüber sie nachzudenken hatte, und sie wollte sich nicht noch in Verlegenheit bringen, indem sie Chris etwas vorheulte. Also führte sie ihn die Küche und ließ ihn Platz nehmen, während sie den Kessel aufsetzte. Chris selbst war still, wirkte sogar ein wenig trübsinnig. Er sagte: »War es immer so? Mit dir und Ray?«
    »Nicht so schlimm. Nicht immer. Und vor allem nicht zu Anfang.« Wie sollte sie erklären, dass das, was sie fälschlich für Liebe gehalten hatte, so schnell in Abscheu umgeschlagen war? Ihre Hand schmerzte noch immer von der Ohrfeige. »Ray ist ein recht guter Schauspieler. Er kann charmant sein, wenn er will.«
    »Ich kann mir vorstellen, dass die Anspannung ihm zu schaffen macht.«
    Sie lächelte. »Offensichtlich. Hast du viel von dem gehört, was er oben gesagt hat?«
    Chris schüttelte den Kopf.
    »Er sagt, er will Tess nicht zurückbringen.«
    »Glaubst du, dass er es ernst meint?«
    »Normalerweise würde ich sagen, nein, aber normalerweise würde er auch gar nicht mit so einer Drohung kommen. Normalerweise wäre er gar nicht hergekommen. In der alten wirklichen Welt konnte man sich ganz gut darauf verlassen, dass Ray die rechtlichen Grenzen respektierte. Und sei es nur, um sich nicht angreifbar zu machen. Vorhin aber hat er geredet wie jemand, der nichts mehr zu verlieren hat. Er hat von der Quarantäne gesprochen. Er meinte, in einer Woche könnten wir alle tot sein.«
    »Meinst du, er weiß irgendwas?«
    »Entweder weiß er etwas oder er will mich glauben machen, er wüsste etwas. Ich kann nur sagen, dass er sich nicht an unseren Sorgerechtsvereinbarungen vergehen würde, wenn er glaubte, dass ich gerichtlich dagegen vorgehen kann. Nie im Leben.«
    Chris war für eine Weile still, ließ sich das durch den Kopf gehen. Der Kessel pfiff. Marguerite konzentrierte sich auf die Teezubereitung, dieses beruhigende Ritual, zwei Teebeutel, einen Schuss Milch für ihren Becher, für Chris keinen.
    »Ich habe es wohl einfach immer vermieden, darüber nachzudenken«, sagte sie. »Ich möchte glauben, dass man irgendwann demnächst die Tore wieder öffnet, die Datenleitungen wieder freigibt und dass eine Person in Uniform sich bei uns entschuldigt, sich für unsere Geduld bedankt und uns bittet, keine Klage zu erheben. Aber ich schätze, es könnte auch

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