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Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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eingemottet. Wieviel es ihr bedeutet hätte.
    Krystyna fürchtete, daran ein wenig schuld zu sein. Als sie nämlich das letzte Mal mit Xane gesprochen hatte, war es am Ende, nach Xanes atemlosen Schilderungen der Probleme mit ihrer Firma, auch kurz darum gegangen. Xane hatte die Meldung tatsächlich versäumt und war erschrocken gewesen. Die arme Sally, hatte sie gesagt, sie ist bestimmt am Boden zerstört? Ich werde sie gleich anrufen!
    Ach was, hatte Krystyna abgewiegelt, du kennst sie, sie hat mehr Angst davor gehabt als Lust darauf. Und zum Glück hat sie eine halbe Stunde später ein interessantes Angebot von der Volksoper bekommen. Um sie brauchst du dir keine Sorgen zu machen, die ist froh, wenn sie jeden Tag im ›Zögernitz‹ frühstücken kann.
    Krystyna hatte damit gemeint: Xane brauchte, ihrer Meinung nach, Sally nicht auf der Stelle anzurufen. Nicht notfallmäßig. Wie man hörte, hatte sie selbst gerade genug am Hals, und nichts Erfreuliches. Sie hatte fast hysterisch geklungen, aber von Kreditausfallshaftungen, verschleppter Insolvenz und solchen Sachen verstand Krystyna zu wenig. Sie war davon ausgegangen, dass Xane Sally schon bald hinreichend dafür bemitleiden würde, dass nichts aus dem halben Jahr Japan wurde. Da aber das Erste, was Sally von ihr hörte, die dringende Bitte war, ein paar Tage auf ihrem Sofa zu übernachten, hatte sie es natürlich in den falschen Hals bekommen.
    Krystyna fand, dass es für solche Klärungen im Millimeterbereich zu spät war. Es änderte wenig, es war nur ein Detail. Xane hätte Sally wirklich irgendwann anrufen können, ja, anrufen müssen. Zwischen der Tourneeabsage und Xanes spontaner Idee, für ein paar Tage nach Wien zu flüchten, waren mindestens drei Wochen vergangen. Und es tat Krystyna gut, dass Sally mit ihr einer Meinung war. Dass es nämlich auch um eine Grenze ging. Dass Xane nicht immer auftauchen und verschwinden konnte, wie es ihr passte. Dass man Freundschaft nicht an-und ausknipsen konnte, je nachdem, ob man sich gerade dunkel fühlte oder hell.
    Ja, sie hatten sich vernachlässigt gefühlt, Krystyna und Sally, insgeheim auch ein paar der anderen, da war sich Krystyna sicher. Noch vor ein paar Jahren war ein gemeinsamer Beisl-Abend das Mindeste gewesen, wenn Xane in der Stadt war. Als sie frisch nach Berlin gezogen war, hatte sie sogar von dort aus die Wiener Feste organisiert, oft genug in Krystynas und Richards Wohnung. Sie machten das gern für sie. Xane ließ Partygeschirr liefern und telefonierte alle zusammen, Christoph brachte zwei Kisten Wein vom Gut seines Onkels, Peter und Judith begannen am Nachmittag zu kochen, dann trudelte der Rest ein, und es wurde getrunken, gelacht und gestritten bis drei Uhr früh. So war es am Anfang, weil Richards und Krystynas Kinder noch klein waren und die Babysitter teuer. Später, als die Kinder größer wurden, war die Wohnung nicht mehr der geeignete Ort, und man reservierte große Tische, zum Beispiel im ›Blaubichler‹. Das hatte meistens Krystyna übernommen, mein Wiener Brückenkopf , wie Xane immer sagte: Ohne dich wäre ich verloren.
    Unmerklich wurden die Runden kleiner. Wegen irgendetwas zerstritt sich Xane vorübergehend mit Paul, und dann konnte sie Henrys Frau von Anfang an nicht leiden.
    Bleib mir weg mit dieser dummen Urschel, sagte sie, und Krystyna, die Henry und die angebliche Urschel regelmäßig sah, fand das intolerant und kleinlich.
    Er liebt sie, widersprach sie, und sie ist wirklich nicht so schlimm, wie du tust.
    Sie ist eine präpotente Kuh, und ich hasse es, dass einer meiner besten Freunde so eine Frau geheiratet hat, sagte Xane und grinste boshaft, ich persönlich warte gelassen auf die Scheidung, erste Reihe fußfrei.
    Manchmal rief sie schuldbewusst an, sagte, sie sei zwar da, aber schon wieder am Flughafen, sie habe es diesmal einfach nicht geschafft. Manchmal rief sie gar nicht an, und Krystyna fand später zufällig heraus, dass sie kurz in der Stadt gewesen war, lange genug immerhin, um mit Judith und Peter abendzuessen.
    Dann begann sie, Deutsche nach Wien zu schleppen: Ich habe meiner neuen Freundin Annegret versprochen, ihr die Stadt zu zeigen. – Ich hole gleich Steffen und Svenja vom Flughafen ab. Wir haben uns letztes Jahr in New York richtig angefreundet. – Nein, Dienstag geht leider nicht, da treffen wir Professor Müller-Lüdenscheid zum Essen; er und seine Frau haben ihren Wien-Aufenthalt extra mit uns abgestimmt; übrigens ist er gerade Präsident der

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