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Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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schien sich unbewusst neue Probleme zu schaffen. Als ob sie ohne Gefühlstrubel nicht leben könnte.
    Wenn dieser hühnerbrüstige Pianist sie unvermittelt mit Liebesschwüren überschütten würde, bekäme sie doch einen Lachkrampf, sagte Krystyna damals zu Sally, der Typ ist nur interessant, weil sie sich nicht mehr sicher ist, ob ›mögen‹ dasselbe bedeutet wie noch vor zehn Jahren.
    Bitte nicht zu unterschätzen, dass er Musiker ist, sagte Sally.
    Da erst erfuhr Krystyna, dass Xane als Kind Klavier gespielt hatte, fanatisch, besessen, aber unbegabt.
    Xanes Fleiß und Judiths Talent, sagte Sally, das hätte wahrscheinlich eine Musikerin ergeben.
    Aber was Judith nicht wollte, konnte Xane nicht. Deshalb diese quälende, giftige, verschämt verborgene Liebe zur Musik, das Klavier, das als Demütigungsstachel von Wohnung zu Wohnung geschleppt wurde, von Wien nach Berlin, immer gepflegt, gestimmt und abgestaubt, und die unverhältnismäßige Begeisterung, wenn sich ein anderer daransetzte.
    Ich hab sie nie spielen gehört, sagte Krystyna erstaunt.
    Sie sagt, sie hat es nicht mehr berührt seit jenem Gespräch damals auf dem Konservatorium, sagte Sally.
    Summa, sagte Krystyna und hielt vier Finger hoch: Erstens ist er jünger, zweitens ist er Musiker, drittens nicht einmal fesch, und viertens ziert er sich. Das ist es also, was unserer Xane zu ihrem Glück fehlt. Oder zu ihrem Unglück. Das scheint ja fast dasselbe zu sein.
    Aber diese Torsten-Geschichte war seit Jahren vorbei. Vorbei all die lächerlichen Verwicklungen, die Lügen und erfundenen Wien-Aufenthalte, für die Krystyna und Sally ihr Deckung gaben, während sich Xane die stillen Winkel Thüringens zeigen ließ. Vorbei die Tränen, als sich Xane schließlich nur noch vor sich selbst ekelte, nachdem sie viel zu lange mit Geständnissen, Geschenken und schrillen Szenen an diesem Steppenwolf herumgezerrt hatte. Der Mann sprach offenbar, auf der Gefühlsebene, eine unbekannte Fremdsprache, Krystyna hatte bis zuletzt weder verstanden, was Xane genau von ihm wollte, noch, warum sie es nicht bekam. Der Name Torsten war jedenfalls seit über drei Jahren nicht mehr gefallen.
    Trotzdem hatte Krystyna daran gedacht, als sie Xanes seltsame Nachricht erhielt. Sie hatte angenommen, dass es wieder aufgeflammt war, oder dass es Mor aus irgendeinem Grund herausgefunden hatte. Was wusste man denn. Auf der Mailbox klang Xane normal, ein bisschen schrill vielleicht, aber sonst wie immer, pointiert, selbstironisch. Woher hätte sie denn ahnen sollen…?
    Zum Glück gab wenigstens Sally ihr vollkommen recht.
    Ein Notfall ist nur, was Xane für einen solchen hält, hatte Sally gesagt und ihr zum Beweis eine unfassbare Geschichte von früher, aus Berlin, erzählt. Dass Xane nämlich einmal Sallys Schlösser hatte austauschen lassen, weil sie sie zwingen wollte, in eine andere Wohnung zu ziehen!
    Ist das zu fassen, fragte Krystyna Richard, dass jemand in einer Wohnung, die ihm nicht gehört, die Schlösser austauschen lässt?
    Richard schüttelte den Kopf. Das kann ich mir nicht vorstellen, sagte er.
    Frag Sally, wenn du es mir nicht glaubst, sagte Krystyna. Xane hat sogar Immobilienmakler kontaktiert, um Nachmieter zu finden. Und sie hat Termine für Sally gemacht, ohne darum gebeten worden zu sein, bei diversen Agenten und Veranstaltern!
    Das klingt schon eher nach Xane, sagte Richard, diese leicht übergriffige Hilfsbereitschaft.
    To say the least , sagte Krystyna. Ich finde, sie ist ein freundlicher Tyrann.
    Es war zu zwischenmenschlichen Pannen gekommen, so ist es ja immer. Interessant nur, wie schnell es dann gehen kann. Ein paar Missverständnisse, ein paar Tage Schweigen, und ein paar, meinetwegen, unglückliche Formulierungen, weil Sally und sie die Lage nicht richtig eingeschätzt hatten. Das konnte passieren! Wer war schon ohne Fehl und Tadel.
    Ihre eigene Lage war bitte auch kein Honiglecken gewesen. Im Büro hatte sie abartig viel zu tun gehabt, im Grunde war sie selten so nahe am Burn-out gewesen. Denn zusätzlich zum Vorweihnachtsgeschäft musste eine ihrer Mitarbeiterinnen, Frau Dostal, wegen einer Tumoroperation ins Spital, und nicht genug damit, dass sie für Monate ausfiel, hatten sich die Kollegen bereit erklärt, in der ersten Zeit Frau Dostals Hund zu betreuen. Die Erste, die das mittels Liste geregelte Gassigehen vergaß, war Krystyna. Zur Strafe musste sie den Reinigungsdienst bestellen.
    Die Kinder kamen nach Hause, wie jedes Jahr, Lilly hatten sie seit

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