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Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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nicht sicher, ob er mich wirklich meint! Und die andere hatte mitfühlend gelächelt und gesagt: Ja, nich wahr, man steckt eben nich drinne! Dafür konnte man sie schon lieben, die Deutschen, für ihre komischen, ernst gemeinten Floskeln.
    Ich glaube, sie hat manchmal Heimweh, sagte Mor, und hat sich deshalb besonders gefreut, dich wiederzutreffen. Sei nicht zu kritisch mit ihr.
    Sally streckte ein Bein aus und tippte Mor mit der großen Zehe an den Oberschenkel. Ihr seid euch immer in allem einig, oder, stellte sie mehr fest, als dass sie fragte.
    Man kann mit Xane herrlich streiten, antwortete er freundlich, Fetzen fliegen, Türen knallen. Das gehört auch dazu.
    Und deine erste Frau, fragte Sally, ließ das Bein ausgestreckt liegen und bewegte heftig die Zehen, als müsste sie sie lockern.
    Mor seufzte. Er erzählte in ein paar Sätzen von sich als jungem Mann und einem seltsamen knabenhaften Mädchen, das ihm auf der Uni nachzustellen begann, auf eine etwas wahnhafte Weise. Das sich winters auf eine Bank in der Nähe seiner Wohnung gelegt hatte, wo er es halberfroren fand. Das sich einmal, nach einem Streit, in der Toilette eingesperrt und sich dort Stecknadeln unter die Fingernägel getrieben hatte, Finger für Finger, und dann triumphal herauskam und seine Hände zeigte, ein blutender Struwwelpeter.
    Du meinst, sie war total gestört, und du hast es nicht gemerkt, fragte Sally.
    Sie hat mir das Gefühl gegeben, dass sie dringend Hilfe braucht und dass ich dafür genau der Richtige bin, antwortete er und lachte. Sally fand ihn uneitel und geradeheraus. Die erste Frau war also kein in die Breite gegangener Trampel in Badeschlapfen und mit aggressiver Kinnpartie, sondern etwas viel Interessanteres. Eine neurotische Elfe, wie Sallys Mutter, unglücklich und bemitleidenswert. Und Xane war demnach nicht einfach das jüngere Fleisch, sondern die Rettung in die Vernunft. Aber wollte man das sein?
    Sally setzte sich auf. Das tut mir alles sehr leid, sagte sie und strich mit zwei Fingern langsam über Mors Oberarm.
    Mir überhaupt nicht, sagte er fröhlich und drehte den Kopf zu ihr. Sie sahen sich an, nicht weit voneinander entfernt, Sally entspannte ihre Lippen, und sie öffneten sich leicht. Es blitzte in seinen Augen, irgendein Begreifen und eine sofort folgende Verschattung. Na endlich, dachte Sally, du brauchst aber lang. Er stand abrupt auf. Ich hol dir eine Decke, sagte er, schaltete die Stehlampe ein und ging hinaus. Sally legte sich wieder zurück und steckte einen Daumen in den Mund, lächelnd, summend.
    Eine halbe Stunde später kam Xane nach Hause. Sie freute sich, Sally zu sehen, sie boxte sie wieder mit den Fingerknöcheln spielerisch gegen den Oberarm, diese seltsame deutsche Geste, die die Distanz, die sie überwinden wollte, gerade betonte. Sie lobte Sallys Gesicht, das wieder genau so schön sei wie vorher, hab ich gleich gesagt, bis zur Hochzeit ist alles wieder gut. Sie sprudelte weiter, über die Firma und einen neuen Auftrag, und welche Ideen sie dazu hatte. Es ging um Energiepolitik, Auftraggeber war eine Umweltorganisation, auf so eine Chance habe sie seit Jahren gewartet. Im Wedding gäbe es einen Bastler, der ihr ein Fahrrad mit einem Generator so zusammenbaue, dass es aussehen werde wie eine Do-it-yourself-Strommaschine. Da könne man eine Lampe anschließen, den Computer oder eine Küchenmaschine, oder gleich den Herd. Gott, was für eine Recherche, diesen Typen erst einmal zu finden! Aber das müsse sein, das wolle sie zeigen, wenn die Leute nun auch gegen Windräder demonstrierten. Der Mann strampelt, schweißüberströmt, und die Frau kocht, so schnell sie kann. Danach treten sie Arm in Arm ans Fenster und freuen sich über den windräderfreien Horizont. Sie klatschte in die Hände. Das werde wieder herrlich Ärger geben, wunderbar.
    Sie hatte Mor flüchtig auf die Wange geküsst und sich, weiterredend, ein Glas aus der Küche geholt. Die Schuhe streifte sie auf dem Weg ab und ließ sie liegen. Ihr fiel etwas ein, das Beste habe sie beinahe vergessen, ein bekannter Musikagent wolle Sally hören – unbedingt, hörst du, er besteht darauf –, es gehe um ein paar Songs in einem Kabarettprogramm, nicht gerade die Hauptrolle, aber für den Anfang? Nächsten Mittwoch um sechzehn Uhr, das sei eine große Chance, sie würde Baby abholen und betreuen, bis Sally fertig war, warte, sie wühlte in ihrer großen Tasche, sie hatte schon die Noten besorgt.
    Sally und Mor schwiegen. Sally sah Xane an,

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