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Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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glänzten wie kleine Tanzsäle.
    Sie fand ein Fläschchen Nähmaschinenöl und behandelte den Wandsafe. Nach wenigen Minuten funktionierte das Schloss wieder. Sie sperrte zu, zog den Schlüssel ab und legte ihn auf Xanes Nachttisch.
    Als sie mit dem Bad fertig war und in der Klomuschel zwei Reinigungstabs schäumten, schminkte sie sich; Xane hatte hier interessante Sachen, die sie anscheinend kaum verwendete. Sally hatte das Schminken, wie so vieles andere, einmal ein bisschen gelernt. Die Schwellung hatte sich zurückgebildet, mit Xanes teuren Produkten zauberte sie die lilagrünen Stellen weg. Sie sah beinahe wieder aus wie zuvor; nur der Hintergrund, das Setting um sie herum, war leider nicht ihres, obwohl es gut zu ihr passte.
    In der Küche sortierte sie alles aus, was abgelaufen war: von Puddingpulver über eine Packung Fertigmischung für Dinkelfrikadellen bis zu eingelegten Heringen aus Norwegen. Im Tiefkühler: Speiseeis mit Gefrierbrand. Unbeschriftetes und unkenntliches Essen in Tupperwarebehältern. Sie warf alles weg und wischte die Schubladen mit einem heißen Lappen aus. So schön und ordentlich hätte sie es bei sich selbst gern gehabt. Aber das schafft man nicht, ist ja klar. Man sollte mit seinen Freunden zum Putzen die Wohnungen tauschen. Sie füllte einen Müllsack, band ihn zu und wollte ihn hinuntertragen.
    Da fiel ihr Blick auf eine edle Grappaflasche. Sie öffnete sie, nahm einen Schluck und setzte sich an den Tisch. Ein Windstoß brachte die Buche vor dem Fenster zum Rauschen. Unten im Hof arbeitete jemand auf Knien im Blumenbeet, wahrscheinlich die Hausmeisterin. Zwei Kinder waren dabei, eines fuhr Roller, das andere rannte fuchtelnd hinterher und schrie etwas. Sally legte den Kopf auf die Arme und weinte.
    Am Abend, als Baby eingeschlafen war, kam sie heraus und setzte sich zu Mor; Xane war noch nicht zu Hause. Es blieb lange hell, und als es dämmerte, stand keiner von ihnen auf, um das Licht einzuschalten. Dieses vertrauliche Sitzen im Halbdunkel, dazu Mors weißes Hemd, das einen Knopf tiefer offen war als sonst. Na ja, er war hier zu Hause, er machte es sich jetzt leger. Seine Brust wirkte im Kontrast braun, es waren ein paar gekräuselte Haare zu sehen. Gekräuselte Haare, und nicht zu viele davon, waren okay.
    Sally zog die nackten Füße aufs Sofa und rutschte mit dem Rücken die Lehne hinunter, bis sie halb lag und mit dem Hintern fast ihre Fersen berührte. Sie umfasste die Knöchel und ließ ihre hoch aufgestellten Knie auseinanderwippen, nur ein bisschen, eine Handbreit, aber es war klar, es ginge noch mehr. Als Kind war sie eine Weile im Ballett gewesen. Sie sagte diesen Satz, träge, grundlos, aber Mor antwortete: Das sieht man.
    Was sieht man, fragte Sally.
    Dass du gelenkig bist, sagte Mor, an Xanes Geburtstag, die Einlage mit dem Stuhl am Schluss. Hat dir Ballett Spaß gemacht?
    Ich weiß nicht, sagte Sally, ich weiß eigentlich nie, ob mir etwas Spaß macht. Ich weiß nur das Gegenteil.
    Mor schien zu lächeln. Das glaube ich gar nicht, sagte er.
    Du hältst mich für eine Hochstaplerin, oder?
    Nein, warum sollte ich? Du hast nie etwas über dich behauptet, was nicht stimmt.
    Das macht dafür Xane, sagte Sally und drehte sich eine Locke um den Zeigefinger, als sähe sie sie zum ersten Mal, sie behauptet erst etwas über mich und ist dann sauer, wenn ich es nicht erfülle.
    Sie ist manchmal zu stürmisch, gab Mor zu, aber das ist insgesamt eine gute Eigenschaft. Und sie hat dich sehr gern.
    Mich oder Judiths Schwester, fragte Sally und tat sich mit einem Mal furchtbar leid.
    Ich hol noch was zu trinken, sagte Mor und stand auf. Während er weg war, setzte sich Sally auf, trank ihr Glas aus, rutschte hinüber auf seinen Platz und legte sich genauso hin wie vorher, wie ein lümmelndes Kind, das sich zu Hause fühlt. Oder wie ein Hürchen.
    Mor sagte nichts, als er zurückkam, natürlich nicht. Er schenkte ihnen beiden nach und setzte sich dahin, wo frei war.
    Aber im Ernst, Mor, fing Sally wieder an und ließ die Knie auseinanderwippen, wir haben uns als Kinder kaum gekannt, und trotzdem tut sie jetzt so … Judith und sie waren total eng, aber darüber redet sie nie. Ich weiß manchmal nicht, ob sie mich überhaupt meint!
    Diese Formulierung hatte sie vor einiger Zeit bei einem Job aufgeschnappt. Sie hatte abserviert, an einem Tisch, an dem sich zwei Frauen nicht stören ließen bei ihren intimen Gesprächen. Die eine klagte: Er sagt dauernd, er liebt mich, aber ich bin gar

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