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Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Titel: Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Puri
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Millionen Mal im Leben. Ein Engländer entschuldigt sich, wenn er die Frechheit besitzt, im Fachgeschäft eine mangelhafte Ware zu reklamieren: „Verzeihung, dass ich Sie belästige, kann es sein, dass dieser Fön, der mein Haus in Brand gesetzt hat, womöglich nicht ganz einwandfrei funktioniert?“ Er entschuldigt sich, wenn er die Impertinenz hat, im Restaurant die Bedienung zu behelligen, die ihn seit einer halben Stunde ignoriert: „Entschuldigung, ich möchte Sie nicht stören, aber wäre es wohl unter Umständen machbar, dass ich die Speisekarte einsehen könnte?“ Er entschuldigt sich, wenn er die Dreistigkeit besitzt, mit dem Taxi nach Hause zu fahren : „Pardon, ich fürchte, ich müsste zum Finsbury Park, aber natürlich nur, wenn Sie meinetwegen keine Umwege auf sich nehmen müssen ? “ Und er entschuldigt sich, wenn er die Chuzpe hat, den Nachbarn um 5 Uhr nachts auf dessen ohrenbetäubende Death-Metal-Beschallung aufmerksam zu machen : „Es tut mir schrecklich leid, Sie damit belästigen zu müssen, die Wände sind, fürchte ich, furchtbar dünn.“ Meine Schwägerin entschuldigte sich während meines letzten Londonbesuchs dafür, dass es während meines Aufenthalts ein paar Mal geregnet hatte, dafür, dass ich nur fünf Tage Urlaub hatte und dafür, dass mein Rückflug Verspätung hatte. Ich habe ihr, großmütig wie ich bin, natürlich alle drei Dinge verziehen.
    Übrigens wird der arme Engländer von vorhin – der, dem Sie auf den Fuß getreten sind, Sie erinnern sich? – sich obendrein auch noch mal ausufernd bei Ihnen bedanken, wenn Sie aufgehört haben, auf ihm herumzutreten. Please und thanks sind nämlich zwei unverzichtbare Grundpfeiler englischer Höflichkeit. Wenn ein Engländer also nicht gerade sorry sagt, dann nur, weil er gerade dabei ist, thanks zu sagen. Busgäste bedanken sich nach der Fahrt beim Busfahrer. Studenten bedanken sich nach der Vorlesung beim Dozenten. Arbeitgeber bedanken sich bei ihren Angestellten. Kassiererinnen bedanken sich bei ihren Kunden. Und umgekehrt natürlich. Schon der Kauf einer Tüte Milch kann in England zu einem wahren Bombardement gegenseitiger Bittes und Dankes und sonstiger Nettigkeiten führen. Auch dann, wenn den Engländern gar nicht nach Nettigkeiten zu Mute ist. Im Gegensatz zu den Deutschen, die offiziell Weltmeister im lautstarken Beschweren sind, hassen Engländer es nämlich, in der Öffentlichkeit viel Aufhebens (auf Englisch: a fuss, a palaver, a kerfuffle oder a to do) um irgendwas zu machen. Bevor ein Engländer beispielsweise im Restaurant dem Kellner gegenüber ein Sterbenswörtchen darüber verlieren wird, dass der Kartoffelbrei ein Eisklumpen ist oder am Rindersteak noch Fellreste kleben, wird er erst eine zehnminütige (gezischelte) Diskussion mit seinem Essenspartner darüber führen, ob es wohl wahnsinnig unhöflich wäre, das zu tun. Und falls er sich am Ende tatsächlich dazu durchringt, etwas zu sagen, wird er es nur, wie bereits erwähnt, unter vielen Entschuldigungen tun, und dabei außerdem so dermaßen umständlich um den kalten Brei reden, dass weder der Kellner, noch der vom Kellner dazu geholte Koch, noch die mittlerweile aufmerksam gewordenen Gäste an den Nebentischen verstehen werden, was denn eigentlich das Problem ist. 6
    Zu welch irreführenden Verrenkungen englische Höflichkeit führt, erlebt man eindrucksvoll, wenn man geschäftlich mit Engländern zu tun hat. Wenn ihr Geschäftspartner Ihre Ideen very interesting findet, werden Sie sich als Deutscher womöglich freuen und sich ermuntert fühlen, noch weiter auszuholen. Dabei lässt seine Bemerkung sich eher dahingehend übersetzen, dass Sie diese Idee einfach direkt in die Tonne treten können. Will er Sie kritisieren, wird er das damit einläuten, dass er mehrfach beteuert, dass er Sie keineswegs kritisieren will. Will er kundtun, dass er das, was Sie gerade erzählt haben, für erstunken und erlogen hält, wird er das mit leicht hochgezogenen Augenbrauen und einem höflichen Oh, is it? – „Oh, ist es so?“ kommentieren , was soviel bedeutet wie „Nicht zu fassen, was Sie da verzapfen.“ Freundliche Formulierungen wie „Kann ich Sie mit … belästigen?“ oder „Macht es Ihnen furchtbar viel aus, wenn … ?“ meinen im Klartext: „Erledigen, aber zackig!“ Das zuvorkommende „Darf ich etwas vorschlagen?“ ist gleichbedeutend mit: „Mann, haben Sie das verbockt!“ Die viel versprechende Ankündigung „Ich werde Sie zurückrufen.“ können

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