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Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Titel: Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Puri
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Krawatten und keine Zahnspange weit und breit.

    Die Vorstellung, dass alle Engländer mit bowler hats und Regenschirmen oder Tweedjacketts, Schnauzer und Pfeife im Mund herumspazieren, 11 ist natürlich genauso veraltet wie die in England weit verbreitete Annahme, alle Deutschen würden Lederhosen und Dirndl tragen. Dank der großen internationalen Bekleidungswarenketten kleiden sich die meisten Engländer mittlerweile genauso wie Deutsche. Mit einem Unterschied: Sie haben viel weniger an. Nackte Arme, die aus kurzen T-Shirts ragen, und nackte Beine, die in Flipflops stecken, gehören sommers wie winters zum Straßenbild – ganz egal, ob es draußen schüttet, hagelt oder schneit. Wieso die Engländer so hart im Nehmen sind? Manche begründen es damit, dass sie von Kindesbeinen an daran gewöhnt sind, in ungeheizten, klammen Räumen zu leben und auch im bittersten Winter in Schuluniform ohne Mantel herumzulaufen. Weshalb sie als Erwachsene gar nicht mehr merken, dass es kalt ist.
    Eine weitere Theorie besagt, dass sich Zweiunddreißig Grad Fahrenheit einfach wärmer anhören als Null Grad Celsius. Andere meinen, der Alkohol wärme von innen. Was immer es mit diesen Erklärungen auf sich hat, Tatsache ist, dass jeden Winter Hunderttausende Engländer mit blau gefrorener Haut, steifen Gliedern und einer Körpertemperatur um die 34° ins Krankenhaus eingeliefert werden, weil es ihnen gar nicht klar war, dass es draußen „ein wenig frisch“ ist. Weibliche Teenager tappen selbst bei Schnee barfuß und im Minirock von der Kneipe nach Hause. Unter englischen Postboten gibt es einen Wer-trägt-am-längsten-im-Jahr-kurze-Hosen-Wettbewerb. Der frühere englische Fußball-Nationaltrainer Steve McClaren wird noch heute als Gene Kelly oder Wally with the Brolly (in etwa: „Hirni mit dem Schirmi“) verspottet, weil er dereinst gewagt hat, bei einem von sintflutartigen Regengüssen gepeitschten Endspiel einen Regenschirm aufzuspannen. Statt wie seine Spieler klatschnass zu werden. Von hartgesottenen Schwimmern, die sich bei jedem Wetter zur Kanalüberquerung treffen, hört man ja des Öfteren. (Immerhin schmieren die sich vorher mit Gänsefett ein!) Vergleichbar unverfroren sind in Deutschland allenfalls die Bewohner Hamburgs, die ja bekanntermaßen beim ersten Sonnenstrahl im Februar sofort das Verdeck ihres Cabrios aufreißen. Fest steht: Wenn Sie in England möglichst englisch aussehen wollen, reicht es, wenn Sie sich ausrüsten wie für eine ganz normale Karibikreise – und im Vorfeld Ihren Nieren- und Blasen-Spezialisten konsultieren.
    Tatsächlich gibt es auch eine Gruppe von Engländern, die weitaus mehr anhat als ihre deutschen Kollegen: Englische Richter tragen, wie wir aus Historienfilmen wissen, Löckchen-Perücken aus Rosshaar, die etwa 1000 Pfund kosten, in etwa genauso viel wiegen und wahrscheinlich wahnsinnig jucken. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen wollen sie mit ihrem Kopfputz klarmachen: Hier spricht keine Privatperson, sondern ein respektables Instrument (wiewohl ein sehr lustig aussehendes, respektables Instrument) des Staates. Zum zweiten wahrt die Perücke die Anonymität des Richters und schützt ihn also vor möglichen Rachefeldzügen der von ihm verurteilten Straftäter. Klammer auf: Comicfreunde wissen, dass das exakt die Gründe sind, weshalb Batman ausschließlich in Maske und Umhang herumfliegt: „Um Furcht in den Herzen aller Übeltäter zu entzünden und die geheime Identität zu verbergen.“ Klammer zu. Ob das mit dem Respekt und der Furcht angesichts dieser pudelartigen Gerichtssaal-Zweithaarfrisuren wirklich funktioniert, sei dahin gestellt. Dennoch schlugen die englischen Richter Alarm, als im Jahr 2001 ein Angehöriger der britischen Regierung die Abschaffung der Perücken forderte. Sie gaben Dutzende von Studien zu dem haarigen Thema in Auftrag und kamen nach jahrelangen Beratungen zu dem Kompromiss, dass Zivilprozesse künftig in Straßenkleidung, Strafprozesse aber weiterhin in vollem Ornat, sprich: Perücke, Talar, Strumpfhosen und Schnallenschuhe, abgewickelt werden sollen.
    Ein englisches Ornat, das mindestens genauso furchteinflößend ist, ist der Essex girl look: weiße Stiletto-Pumps – weiße Handtasche – neonfarbener Rock, der höchstens Gürtelbreite hat – pinkfarbenes Oberteil, das höchstens Bauchnabellänge hat – zentimeterdick aufgetragener Eyeliner – Sonnenbankbräune – lange Fingernägel und der sogenannte Croydn face lift : zum fettigen

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